"Global Shapers" wollen die Welt verändern
21. Januar 2019"Warum bist Du immer noch in Venezuela? Diese Frage stellen wir uns bei jedem Treffen in Caracas", erzählt Gabriela Saade. Die 26-Jährige arbeitet in der Hauptstadt von Venezuela in einem politischen Think Tank, der einer regierungskritischen Partei nahe steht.
Freie Zeit hat sie wenig, denn die Ökonomin ist am Wochenende in Schulen und in den ärmsten Vierteln von Caracas als Freiwillige unterwegs. Sie kümmert sich um die Gesundheitsversorgung, organisiert Lebensmittel und Hygieneartikel für Frauen oder berät Lehrer und Schüler, wie der Unterricht verbessert werden könnte. Aufgaben, die der marode venezolanische Staatsapparat schon lange nicht mehr übernimmt.
Saades zwei Schwestern sind bereits in die USA emigriert, viele Freunde und Kollegen ebenfalls. Wer kann, verlässt das Land, aber sie will bleiben und vor Ort etwas bewegen.
Global Shaper - das weltweite Netzwerk
Saade organisiert sich in Caracas auch gemeinsam mit anderen sogenannten "Global Shapers", einem weltweiten Netzwerk junger Menschen, das vom Genfer Weltwirtschaftsforum (WEF) gegründet wurde. Mitglieder tauschen sich untereinander aus, organisieren gemeinsame Treffen und versuchen in ihren Heimatorten etwas zu bewegen. Es geht um soziale oder kulturelle Projekte aber oft auch um Politik. Das WEF unterstützt sie dabei mit Kontakten zu Experten und anderen Organisationen.
Das Netzwerk der Global Shapers umfasst heute bereits über 6000 engagierte junge Leute in 156 Ländern und Regionen.
Plötzlich neben dem Außenminister Ecuadors
In diesem Jahr wurde Gabriela Saade zusätzlich als Teilnehmerin am Weltwirtschaftsforum in Davos ausgewählt. Sie hatte sich mit einer Videobotschaft darum beworben und ist sichtlich stolz drauf, es geschafft zu haben. Nun wird sie gemeinsam mit rund 50 anderen Global Shapers den jungen Menschen zwischen den meist älteren Politikern und Unternehmenschefs eine Stimme verschaffen. Während des Weltwirtschaftsforums wird sie unter anderem auf einem offiziellen Panel zur Zukunft Venezuelas sitzen, neben dem Außenminister Ecuadors.
Draußen ist es minus 12 Grad kalt und Gabriela Saade überlegt, wie sie hier in Davos in den wenigen Tagen etwas für ihr Heimatland bewegen kann. "Wir müssen Wege hin zur Stabilität in Venezuela erarbeiten", betont sie, "und darauf aufmerksam machen, was dort gerade passiert."
Andere Themen als das Establishment
3000 Teilnehmer aus der ganzen Welt hat das diesjährige Weltwirtschaftsforum. Die Themen, die die Jungen diskutieren wollen, unterscheiden sich zum Teil allerdings stark von der üblichen WEF Agenda.
Baillie Aaron geht es um Häftlinge. Sie ist Global Shaperin aus London und hat mit 'Spark Inside' eine Organisation gegründet, die sich um das Coaching von Häftlingen kümmert.
"Viele Häftlinge sehen keinen Sinn, keine Aufgabe für sich, aber Coaching kann ihnen helfen zu verstehen, dass es ein Leben nach der Kriminalität geben kann", erzählt sie und verweist stolz auf ihre Erfolge. "Spark Inside hat mehr als 1000 Häftlinge und Vollzugsmitarbeiter in London und Südengland gecoacht. Dadurch werden Häftlinge seltener gewalttätig und rückfällig."
Die gebürtige Kanadierin hat keine Berührungsängste und will in Davos um Unterstützung für das Projekt werben. Vertreter milliardenschwerer Hedgefonds sind in diesen Tagen bei dem Treffen in den Schweizer Bergen. Die will sie direkt ansprechen und sich natürlich in den unzähligen Diskussionen zum Zustand der Welt massiv einmischen.
Die Jugend ernst nehmen
"Wir sind nur 50 hier in Davos, aber wir können die anderen 3000 Teilnehmer mit unserer Energie überwältigen", lacht Jaideep Bansai und strahlt selbst eine unglaubliche Energie aus. Der 28-Jährige kommt aus Südindien und ist sich sicher, dass die Meinung der Jungen auf dem WEF gehört werden wird. "Die Entscheidungen, die sie treffen, werden Auswirkungen auf uns haben", sagt er und betont: "Nehmt die Jugend ernst."
Wie ernsthaft die Jungen selbst die Welt verändern, demonstriert Bansai mit seinem Projekt 'Energy Access, GHE'. Unter seiner Leitung gelang es, 80 Dörfer in abgelegenen Gegenden Indiens mit Solarkraft zu elektrifizieren. Seinen gut bezahlten sicheren Job beim Multinationalen Großkonzern Proctor und Gamble gab er dafür auf.
Für Bansai und die anderen jungen Teilnehmer in Davos geht es um die nachhaltige Wirkung ihres Engagements auf die Gesellschaft. "Wir wollen etwas verändern", sagt der junge Inder. Mit seinem leuchtend roten Turban stapft er durch den Davoser Schnee, auf dem Weg zum nächsten Termin.