Globale Aufrüstung
9. Juni 2008Der kräftige Aufwärtstrend bei den weltweiten Rüstungsausgaben hält auf breiter Front an. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) am Montag (09.06.2008) berichtete, stiegen die Militärhaushalte im vergangenen Jahr im vergleich zu 2006 um sechs Prozent auf 858 Milliarden Euro (1,339 Billionen Dollar). Seit 1998 betrug der Zuwachs 45 Prozent.
Die USA wendeten demnach 547 Milliarden Dollar (351 Milliarden Euro) für Rüstungsprojekte auf - 3,4 Prozent mehr als 2006, mehr als in jedem anderen Jahr seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit 45 Prozent fast die Hälfte aller Rüstungsausgaben auf der Welt. Seit 2001, dem Jahr der Terroranschläge in New York und Washington, sind sie in den Vereinigten Staaten um 59 Prozent gestiegen. Grund seien die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie der im eigenen Land ausgerufene "Krieg gegen den Terror", hieß es im SIPRI-Rüstungsjahrbuch.
Die höchsten Steigerungsraten verzeichneten in den vergangenen zehn Jahren die Staaten Osteuropas einschließlich der früheren Sowjetunion mit einem Plus von 162 Prozent. Russland legte 2007 beim Militärhaushalt um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.
"Abrüstung im Interesse der Regierungen"
Als dringend überfällige Antwort auf die derzeitigen Trends bezeichnete SIPRI-Chef Bates Gill eine "Wiederbelebung der internationalen Rüstungskontrolle". Dafür gebe es in den kommenden zwei Jahren mit Blick auf mögliche neue politische Führungen in Ländern wie Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Japan, Russland und vor allem demnächst in den USA "neue Chancen und Öffnungen". Die weitere Entwicklung hänge maßgeblich von der künftigen Politik der Vereinigten Staaten ab. Es gebe einen zunehmenden Konsens, dass ernsthafte und wirksame Abrüstungsschritte notwendig seien, erklärte Gill. Deshalb lägen solche Maßnahmen im Interesse von Regierungen ebenso wie der Öffentlichkeit. Besonders wichtig sei dabei eine weitere Abrüstung auf Seiten der beiden größten Atommächte USA und Russland.
Die Notwendigkeit neuer Anstrengungen bei der Rüstungskontrolle ergibt sich für SIPRI auch aus den nach wie gigantischen Arsenalen an Atomwaffen: Es gebe ein Gesamtarsenal von gut 25.000 nuklearen Sprengköpfen, von denen mehr als 10.000 sofort auf Raketen oder Flugzeugen eingesetzt werden könnten. Davon entfielen im Januar 2008 insgesamt 5189 auf Russland und 4075 auf die USA. Beide Länder arbeiteten zugleich an einer Modernisierung ihres Rüstungsarsenals, während Vereinbarungen über Rüstungskontrolle oder Nicht-Weiterverbreitung "entweder schwanken oder kaum Fortschritte machen", heißt es im Jahrbuch. Kritisch kommentiert SIPRI den Austritt Moskaus aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE). Hiervon gehe eine sehr große Gefahr aus, hieß es.
Deutschland drittgrößter Waffenexporteur
Deutschland liegt in der Tabelle der Länder mit den höchsten Militärausgaben auf dem sechsten Platz und hat nach SIPRI-Berechnungen mit 23,7 Milliarden Euro (36,9 Milliarden Dollar) einen Anteil von drei Prozent an den weltweiten Ausgaben. Hinter den einsam führenden USA mit jährlichen Ausgaben von 350 Millionen Euro (547 Milliarden Dollar) folgen fast gleichauf Großbritannien, China und Frankreich. Sie geben jeweils etwa ein Zehntel des US-Betrages für militärische Zwecke aus. Vor Deutschland liegt auch noch Japan.
Beim internationalen Waffenhandel ermittelte das Institut einen Anstieg um sieben Prozent für die Zeit von 2003 bis 2007 gegenüber der Zeit von 2002 bis 2006. Deutschland war während dieser Spanne der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt mit einem Marktanteil von zehn Prozent. Die USA lagen mit 31 Prozent vorn, gefolgt von Russland mit 25 Prozent.
Mit 14 blieb die Zahl der Kriege im letzten Jahr gegenüber 2006 unverändert. Während etwa in Burundi und Uganda zwei bewaffnete Konflikte beendet werden konnten, kamen zwei neue auf den Philippinen und in Somalia hinzu. Die Stockholmer Friedensforscher zählen in dieser Statistik auch nach wie vor den von Präsident George W. Bush ausgerufenen "Krieg gegen den Terrorismus" auf - mit den USA als Ort des Geschehens. Generell sei die Definition und Eingrenzung von Kriegen durch die "fragmentierte Anwendung militärischer Gewalt und die Zersplitterung beteiligter Akteure" kompliziert geworden, meint SIPRI. (stu)