Preiswerte Energiewende
21. Februar 2012Die Energieversorgung wird sich weltweit bis zur Mitte des Jahrhunderts radikal verändern. Die Stromerzeugung mit Atomkraft ist riskant und teuer, und fossile Energien werden durch Erneuerbare Energien ersetzt. Nach Berechnungen der US-Nachrichtenagentur Bloomberg lagen die weltweiten Investitionen in Wind-, Sonnen-, Wasser- und Biomassekraftwerke im Jahr 2010 mit umgerechnet 140 Milliarden Euro erstmals höher als die Investitionen in Gas-, Öl- und Kohlekraftwerke mit etwas mehr als 110 Milliarden Euro.
Windenergie ist schon heute konkurrenzfähig
Nach Angaben des Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme in Freiburg werden Erneuerbare Energien weltweit immer günstiger. So ist Windstrom im Vergleich zu Kohlestrom schon heute konkurrenzfähig. Wissenschaftler haben errechnet, dass eine Kilowattstunde (kWh) aus neuen Windanlagen – je nach Windverhältnissen – zwischen 5 und 9 Eurocent kostet, aus neuen Kohlekraftwerken rund 6,5 Eurocent. Werden bei Kohlekraftwerken noch die externen Kosten für die Luftverschmutzung hinzugerechnet, wie es die EU und das Bundesumweltministerium bei in ihren Kalkulationen tun, ergeben Investitionen in neue Kohlekraftwerke schon heute keinen Sinn.
Solarstrom wird rentabel
Während die Kosten für die Erzeugung von Windstrom lediglich kontinuierlich sinken, ist der Preisverfall bei der Stromgewinnung aus Sonnenenergie rasant. Kostete dieser Solarstrom, bei dem Sonnenlicht über Photovoltaikanlangen direkt in Strom umgewandelt wird, noch vor wenigen Jahren vielerorts über 50 Eurocent je kWh, so liegen die Kosten an manchen sonnenreichen Standorten, wie z.B. Nordafrika und im Süden der USA, schon heute zwischen 7 und 10 Eurocent pro kWh. Der Aufbau von immer größeren Solarfabriken, vor allem in China, beschleunigt die rapide Preissenkung und den weltweiten Ausbau der Solarenergie.
Bei den solarstromthermischen Kraftwerken ist die Preisentwicklung nach unten nicht ganz so groß. Gegenüber Wind- und Photovoltaikstrom haben solarthermische Kraftwerke dafür einen anderen Vorteil: Die über Spiegel gewonnene Wärmeenergie kann gespeichert werden und dann bedarfsgerecht, also auch in der Nacht, Strom produzieren.
Teurer Atomstrom
Atomstrom ist teuer, vor allem dann, wenn alle Kosten mit eingerechnet werden. Die Preise für neue Atomkraftwerke liegen bei rund 7 Milliarden Euro, eine Kilowattstunde Strom kostet nach Berechnungen der kalifornischen Energiekommission umgerechnet zwischen 12 und 26 Eurocent. Hinzu kommen jedoch noch die externen Kosten. Dazu zählt die sichere Lagerung des Atommülls über Millionen Jahre, und auch die Haftung für einen möglichen Atomunfall muss einkalkuliert werden.
Nach Angaben von Tatsujiro Suzuki, Vizepräsident der Japanischen Atomenergie-Kommission, könnte die Atomkatastrophe von Fukushima den japanischen Steuerzahler bis zu 250 Milliarden Dollar kosten, umgerechnet knapp 190 Milliarden Euro. Für das Unglück von Tschernobyl vor 25 Jahren zahlte nach Berechnungen von Greenpeace allein die weißrussische Regierung 235 Milliarden Dollar von 1986 bis 2006. Das sind mehr als 175 Milliarden Euro.
In Deutschland könnte laut Prognos-Institut der Schaden eines atomaren Unfalls sogar bei bis zu 5.000 Milliarden Euro liegen wenn alle Folgekosten, also auch für die anderen Länder, mitberechnet werden. Würden diese Risiken eines Unfalls versichert, so lägen nach einer Greenpeacestudie die realen Kosten für eine Kilowattstunde Atomstrom über 2,70 Euro.
2050 die kostengünstigsten Energieträger
Das wissenschaftliche Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung für Umweltfragen hat 2011 die Kosten für eine vollständige und sichere Stromversorgung mit Erneuerbaren Energien berechnet. Die Studie bezieht sich auf Europa und Nordafrika und zwar bis zum Jahr 2050.
Die Erhebung zeigt, dass eine vollständige Stromversorgung mit Erneuerbaren Energien bis 2050 zu Durchschnittkosten von 6,5 Eurocent pro kWh möglich ist und die Erneuerbaren Energien damit zur günstigsten Stromquelle werden. Die Kosten für die Speicherung von Energie und für den Bau von Leitungen sind in dieser Prognose bereits enthalten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass in den meisten europäischen Ländern die Windenergie die günstigste Technik sein wird, sich im Mittelmeerraum in weiten Teilen aber auch Sonnenenergie durchsetzt. Zusätzliche Kapazitäten für die Speicherung von Energie sehen Wissenschaftler in Pumpspeicherseen in Norwegen und den Alpen.
Gesetze beschleunigen notwendigen Umbau
Um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, ist der schnelle Umstieg auf Erneuerbare Energien notwendig. Als weltweit erfolgreichstes Instrument zur Umsetzung gilt das EEG, das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien. Dieses Gesetz regelt eine Mindestvergütung für die regenerative Stromgewinnung über mehrere Jahre und gibt somit den Investoren Planungssicherheit. In Deutschland wurde dieses Gesetz vor 20 Jahren eingeführt und hat den Boom der Erneuerbaren Energien möglich gemacht. Inzwischen haben 61 Staaten dieses Erfolgsmodell übernommen, und seit der Katastrophe von Fukushima gibt es auch in Japan und China solch ein Einspeisegesetz.
Klimaschädliche Subventionen streichen
Nach Angaben von Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), werden fossile Energien weltweit noch mit jährlich 500 Milliarden US-Dollar subventioniert. Die Streichung dieser Subventionen würde den Verbrauch von fossilen Brennstoffen deutlich senken und nach Angaben von Achim Steiner zu einer Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent führen. Mit gutem Beispiel gehe etwa der Iran voran, so Steiner in einer Rede in Berlin: Das Land habe die Zuschüsse für Öl und Gas gestrichen und das senke deutlich den Konsum.
Mehr Energieeffizienz erforderlich
Während die Erneuerbaren Energien in machen Ländern boomen, fristet die Energieeffizienz, das Einsparen von Energie, weltweit noch ein Schattendasein. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur IEA, könnte die Energieeffizienz mit 57 Prozent den größten Beitrag zur C02-Reduktion leisten und so die Erderwärmung auf maximal 2 Grad begrenzen.
Welches Potential in diesem Sektor steckt, macht das Bundesumweltamt in seinen Berechnungen deutlich. Danach könnten allein in Deutschland rund zehn große Kohle- oder Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wenn z.B. alle derzeitigen Haushaltgeräte durch Strom sparende Alternativen ersetzt würden.
Die EU versucht durch Richtlinien, Gesetze und Verbraucheraufklärung das Potential der Energieeinsparung zu nutzen. Das Ziel: Bis 2020 will die EU 20 Prozent weniger Energie verbrauchen als noch 1990. Bisher wurde allerdings nur ein Einsparpotential von etwa 9 Prozent erreicht. Experten halten in diesem Sektor weitere gesetzliche Vorgaben und mehr Kontinuität für dringend erforderlich.
Als eine bekannte Maßnahme zur Effizienzsteigerung gilt das Verbot der Glühbirnen, die nur 5 Prozent der Energie in Licht umwandeln. In der EU sind sie ab September 2012 komplett verboten und dürfen nicht mehr verkauft werden. Auch in China, den USA, Australien, Neuseeland und Kuba soll ein Verbot für Glühlampen zur Energieeinsparung umgesetzt werden.
Energieeinsparung ist rentabel
Als besonders effektiv gelten Vorschriften im Bausektor. In Deutschland werden rund 40 Prozent der Energie für die Beheizung von Häusern gebraucht. Mit Hilfe von EU-Vorgaben soll sich das ändern. Neue Häuser müssen in den Ländern der EU besser und effizienter gedämmt werden, und spätestens ab 2021 sollen alle Neubauten so gut wie keine Energie verbrauchen. Den verbleibenden geringen Bedarf sollen diese Häuser dann aus Erneuerbaren Energien selbst erzeugen.
Auch in anderen Energiebereichen, wie der Industrie, der Kraftwerke, dem Verkehr und Gebäuden, schlummert ungenutztes Einsparpotential. Viele Energiesparmaßnahmen – und darin sind sich alle Experten einig – haben sich bereits nach wenigen Jahren amortisiert und sind zugleich der kostengünstigste Weg zur C02-Minimierung.
Dass der Bereich der Energie-Effizienz noch in den Anfängen steckt, hat verschiedene Ursachen: Oft fehlt dem Verbraucher das entsprechende Wissen zur Energieeinsparung, Lobbyisten aus der Industrie verhindern strengere, gesetzliche Vorgaben, und die Politik hat noch keinen kontinuierlichen Pfad zur allgemeinen Effizienzsteigerung entwickelt. Hier, so die Meinung zahlreicher Experten, besteht noch dringender Handlungsbedarf.
Autor: Gero Rueter
Redaktion: Gudrun Heise