Auf der Suche nach mehr Zufriedenheit für alle
23. Dezember 2012Gedanken über das Glück haben sich schon viele große Philosophen wie Aristoteles, Epikur oder auch Schopenhauer gemacht. Doch bei ihnen ging es um Interpretation, die moderne Glücksforschung arbeitet dagegen empirisch, betont Prof. Karlheinz Ruckriegel, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Nürnberg. Aber wie erforscht man das, was für jeden anders ist? Schließlich machen den Einen weite Blicke auf Berge und Wälder glücklich, den Anderen Meer und Sonne.
Haben oder Sein
Zunächst geht es darum, das "Glückhaben" vom "Glücklichsein" zu trennen, sagt Karlheinz Ruckriegel. "Glückhaben" ist etwas, das man zum Beispiel mit einem Lottogewinn verbindet. Die Glücksforschung aber beschäftigt sich in einer grundsätzlichen Weise mit dem Wohlbefinden der Menschen und dem, was das gute Gefühl auslöst. Eine der empirischen Quellen ist das Sozio-ökonomische Panel - SOEP, eine jährliche repräsentative Befragung von mehr als 12.000 Privathaushalten, die seit 1984 in Deutschland bei jeweils denselben Personen und Familien durchgeführt wird.
Mit Geld nicht endlos zu steigern
Moralisten predigen es schon lange, dass Geld allein nicht glücklich macht, inzwischen gibt es aber auch die entsprechenden Zahlen dazu, unter anderem vom Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster. Dort wurde ein "Lebenszufriedenheitsindikator" entwickelt und 2009 vorgestellt. Er deckt sich mit den zusammengefassten Forschungsergebnissen der Schweizer Ökonomen Bruno S. Frey und Claudia Frey Marti: Bis zu einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 10.000 Dollar – gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – ergibt sich eine signifikante Steigerung des Glücksempfindens. Von 10.000-20.000 Dollar ergibt sich nur noch eine schwache Erhöhung und oberhalb von 20.000 Dollar so gut wie gar keine mehr. Sind die materiellen Grundbedürfnisse einmal gedeckt, wachsen mit dem Einkommen auch stetig die Ansprüche. Das Glücksgefühl kommt nicht mit.
Gefühlswachstum statt hohe Renditen
Dass mehr Geld nicht automatisch zu mehr Wohlbefinden führt, wird in der Glücksforschung als Easterlin-Paradox bezeichnet. Der Ökonom Richard Easterlin hatte 1974 eine entsprechende Studie veröffentlicht, die auf internationalen Befragungen beruhte. Doch erst mehr als 30 Jahre später wird seine Botschaft auch gehört, nach Bankencrash und Finanzkrise. Deshalb ist die Position von Glücksforscher Ruckriegel eindeutig: "Was wir auf jeden Fall nicht fördern müssen, ist das Wirtschaftswachstum." Damit stößt Ruckriegel ins selbe Horn wie der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Ihn hatte der französische Präsident Sarkozy Anfang 2008 mit der Leitung einer Kommission betraut, die der Frage nachgehen sollte, wie man das Wohlergehen einer Gesellschaft messen kann.
Statt einer reinen Profitsteigerung als Oberziel, empfahl Stiglitz eine Orientierung an der Lebensqualität: an Gesundheitsstatus, Bildungsniveau und Umweltzustand. Außerdem sollte das subjektive Wohlbefinden der gegenwärtigen Generation berücksichtigt werden und auch die Nachhaltigkeit für zukünftige Generationen.
Glücksforschung ist interdisziplinär
Neben den großen Zielen für Politik und Wirtschaft hat die Glücksforschung auch Empfehlungen für jeden einzelnen. Hier kommen Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungszweigen zusammen, und das geht auch nur in der Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaften, betont Karlheinz Ruckriegel. Die Positive Psychologie, ein Forschungszweig, der erst seit den 90er Jahren des 20 Jahrhunderts existiert, richtet den Blick auf die Ressourcen der Persönlichkeit, auf das Positive, das es zu verstärken gilt, statt das Negative und Kranke in der Vergangenheit zu fokussieren. Hierzu zitiert Ruckriegel den Hirnforscher Manfred Spitzer: "Wer nichts über Glück weiß, kann es auch nicht finden. Wer hingegen viel über Glück weiß, kann es sogar trainieren." Glück hänge stark davon ab, was man in seinem Leben betone.
Gemeinschaft ist das Entscheidende
Wie man Glück ganz praktisch übt, hat die Gemeinde Schömberg im Juli dieses Jahres ausprobiert. In einer Glückswoche wurden vor allem Gemeinschaftsprojekte in den Vordergrund gestellt, Musik und Tanz verschiedener Stile für jedermann sowie öffentliches Singen. Auch in der Schule lässt sich mehr Zufriedenheit erreichen, sagt Karlheinz Ruckriegel, indem man die Gemeinsamkeit und Wertschätzung des anderen betont, statt nur auf mehr, schneller und besser zu setzen. "Letztlich geht es um das Zwischenmenschliche", konstatiert der Glücksforscher und deshalb sind gute Beziehungen das tragende und glücklich machende Grundelement im Leben, ob in der Ehe, einer Partnerschaft, im Verein oder am Arbeitsplatz.
Im Grunde keine revolutionäre Erkenntnis. Aber vielleicht ist diesmal der Ansatz der Forscher praktischer und deshalb besser zu verwirklichen.
Autor: Günther Birkenstock