"Go go Google"
16. September 2002"Hurra, Google ist wieder befreit!" – seit Tagen hallt der virtuelle Jubel durch den Chatraum der chinesischen Zeitung "People's Daily". Doch die freiheitsliebende Netzgemeinde des asiatischen Riesenreichs hat sich zu früh gefreut. Der Kampf um die Freiheit des Internet in China geht weiter.
Denn die chinesische Regierung hat keineswegs kapituliert. Im Gegenteil. Wie einst die mächtigen Mandarine mit der chinesischen Mauer hat sie jetzt ein Bollwerk errichtet, das kaum zu durchbrechen ist: die chinesische "Great Fire Wall". Gemeint ist damit ein ausgeklügeltes Softwaresystem, das den Zugriff auf unerwünschte Inhalte im Internet für die meisten Chinesen unmöglich macht.
Seiten bleiben weiß
Die Suchmaschine Google ist weltweit die Nummer eins; Chinas Surfer schätzen sie vor allem, weil sie anders als einige andere internationale Anbieter über ein Suchprogramm in chinesischer Sprache verfügt. Doch laut der "Japan Times" berichten in den letzten Tagen immer mehr Internetnutzer aus China, dass Google zwar wieder laufe, dafür aber der Zugriff auf einzelne Internetseite verstärkt blockiert werde.
Zwar könnten die Homepages ausländischer Medien grundsätzlich abgerufen werden, wolle man jedoch einen Artikel etwa über den chinesischen Präsidenten Jiang Zemin öffnen, sitze man plötzlich vor einem leeren Bildschirm, schreibt das Blatt. "Das ist keine neue Entwicklung," sagt Karsten Giese, Chinaexperte am Institut für Asienkunde in Hamburg, im Gespräch mit DW-WORLD. "Einzelne Internetangebote wurden in China schon immer blockiert".
Technisch topp
Offensichtlich ist aber, dass es der chinesischen Seite gelungen ist, ihre virtuelle Überwachungstechnik zu verbessern. Chinas "Great Fire Wall" ist wesentlich effizienter als vorher. Denn bisher, so Experten, wurden komplette Seiten wie die von CNN und BBC nicht aber einzelne Artikel auf diesen Seiten blockiert.
Pure Spekulation
Wie üblich schweigt die chinesische Regierung über ihre Gründe für das Ab- und Anschalten von Google. Auch liegen keine offiziellen Stellungnahmen über eine verstärkte Zensur einzelner Angebote vor. Es wird jedoch reichlich spekuliert. In der chinesischen Internetbranche wird der bevorstehende Parteitag im November als Grund für die verstärkten Zensurmaßnahmen genannt. "Das ist Kaffeesatzlesen", meint dagegen Karsten Giese.
Im Einzelfall lasse sich gar nicht entscheiden, ob es sich um einen "Serverausfall" oder eine staatlich veranlasste Umleitung von Suchanfragen ins Internet-Nirwana handele, erklärt Giese. Auch die Gerüchte über Absprachen "hinter verschlossenen Türen", die zur Freigabe von Google geführt haben könnten, nennt Giese reine Spekulation. Ganz offiziell hat eine Google-Sprecherin gegenüber der BBC dies inzwischen verneint: "Wir haben unser chinesischen Angebot nicht verändert."