Goldabbau spült Gift nach Thailand
16. Januar 2025Thailand erlebte in den vergangenen Monaten die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Mehr als die Hälfte aller Provinzen waren von Hochwasser betroffen, mindestens 78 Menschen kamen ums Leben. Besonders schwer getroffen wurden die nördlichen Provinzen Chiang Mai und Chiang Rai, wo Überschwemmungen und Schlammlawinen ganze Bezirke verwüsteten. Die Grenzstadt Mae Sai verschwand letzten September fast vollständig unter einer Schlammdecke.
Auch Monate nach der Katastrophe sind Teile von Mae Sai noch immer unbewohnbar. Suwat Limratsiuttipon, einer der vielen Betroffenen, steht ratlos vor den Ruinen seines Bungalowresorts. Stein für Stein, Brett für Brett hatte er in vierzig Jahren sein kleines Ferienparadies aufgebaut. Von seinen dreizehn Ferienhäusern und dem idyllischen Restaurant am Flussufer ist kaum was übrig. "Ich konnte nur meinen Ausweis retten, sonst nichts", klagt Suwat und zeigt auf die Schlammspuren, die bis zum Dach eines Trümmerhäuschens reichen. "Wäre es nur Wasser gewesen, wären die Schäden weitaus geringer ausgefallen, aber der Schlamm hat alles zerstört", sagt der 81-Jährige. Er vermutet, dass der Schlamm mit Chemikalien belastet war. "Als der Wasserstand wieder sank, blieben schwarze Rückstände zurück."
Goldrausch in Myanmar als Mitursache von Schlammlawinen
Bei Analysen des Flutschlamms stießen die thailändischen Behörden auf erhöhte Konzentrationen von Zink, Arsen und Nickel. Die giftigen Schwermetalle stammen aus illegalen Goldminen in Myanmar, vermuten die Forscher. In einer Studie identifizieren sie mehrere Bergbauprojekte westlich der Grenze als wahrscheinlichen Ursprung der großen Mengen an Ablagerungen, die bei Starkregen über den Sai-Fluss nach Mae Sai geschwemmt werden.
Die auf der myanmarischen Seite aktive Nichtregierungsorganisation "Shan Human Rights Foundation" spricht von einem dramatischen Anstieg an illegalem Goldabbau in dieser Region. Satellitenbilder belegen, wie in den letzten Jahren etliche Naturräume eingeebnet und in riesige Abbaugebiete verwandelt wurden, während die traditionelle Landwirtschaft verdrängt wird. "Der Abfall aus dem Bergbau hat die Felder unfruchtbar gemacht und auch das Trinkwasser wurde verseucht", berichtet Sai Hor Hseng, Sprecher der Menschenrechtsorganisation.
Wie viele Bergbauprojekte mittlerweile in Betrieb sind, sei schwer zu ermitteln. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch, und die Anlagen werden rigoros abgeschottet. Klar sei aber, dass Ende 2022 tausende Arbeiter im Auftrag chinesischer Bergbauunternehmen den Goldabbau mit schweren Maschinen entlang des Sai-Flusses aufgenommen haben. Im Folgejahr begannen sieben chinesische Unternehmen auch an den Ufern des Kok-Flusses mit dem illegalen Goldabbau, sagt Hseng. Die ungefilterten Abfälle aus diesen Minen kontaminieren die Flüsse Sai und Kok. Sie beide speisen den mächtigen Mekong, Südostasiens größten Fluss und Lebensader für schätzungsweise 60 Millionen Menschen.
Goldabbau gefährdet Mensch und Tier
Auch am Kok-Fluss sind die Auswirkungen des Bergbaus zu erkennen. Etwa 30 Kilometer flussabwärts der Goldminen durchquert er den Grenzort Tha Ton. Obwohl das malerische Örtchen offiziell zu Thailand gehört, sind viele der Bewohner ethnische Shan. Sie teilen sich die Region mit weiteren Bergvölkern wie den Lahu, Lisu oder Yao, deren Leben eng mit dem Kok-Fluss verbunden ist, der sich durch das Hochland schlängelt.
Tii, ein Tagelöhner aus Tha Ton, steht am Flussufer und blickt besorgt auf die braune Brühe, die an seinen Schlappen vorbeizieht. "Früher war das Wasser viel klarer", erzählt der gebürtige Shan der DW. Seit zwei Jahrzehnten pendelt er zwischen Thailand und Myanmar. Noch nie habe er den Fluss so verschmutzt gesehen. "Vor einem Jahr trieben sogar tote Büffel und Schweine im Fluss. Sie müssen an den giftigen Chemikalien gestorben sein, die aus den Goldminen stammen", vermutet der 39-Jährige. Nach dem Vorfall sei das Fischen in der Region vorübergehend behördlich untersagt worden.
Nicht nur Tiere erkrankten und verendeten, auch die Menschen leiden unter den Folgen des unkontrollierten Bergbaus. "Viele Kinder und Bauern haben Hautkrankheiten", sagt Sai Hor Hseng von der Shan Human Rights Foundation. "Beim Waten durch das Wasser fängt die Haut an zu jucken. Selbst kleine Wunden entzünden sich und heilen nur langsam."
Illegale Minenprojekte unter der Aufsicht der Wa-Armee
Konsequenzen müssen die Minenbetreiber nicht fürchten. Ein Großteil des illegalen Goldbergbaus findet in Gebieten statt, die von der United Wa State Army (UWSA) kontrolliert werden. Die Wa-Armee ist mit ihren geschätzt 30.000 Soldaten die größte ethnische Armee in Myanmar und beherrscht Teile des Shan-Staats. Ihre autonome Zone grenzt im Norden an China, mit dem die Wa enge politische und wirtschaftliche Verbindungen pflegt. Ihr südliches Territorium liegt an der Grenze zu Thailand und ist von anhaltenden Spannungen geprägt.
Seit seiner Gründung vor 35 Jahren finanziert sich der sogenannte "Wa-Staat" vornehmlich durch die Produktion von Drogen, während Thailand seit jeher unter dem Drogentransit leidet. Die thailändische Regierung sei durchaus besorgt über die Ausweitung des Bergbaus, sagt Amara Thiha vom Peace Research Institute Oslo. "Doch die Hauptsorge gilt den zunehmenden Drogenbeschlagnahmungen. Dieses Thema stellt die grösste Herausforderung dar und ist ein zentrales Thema in den Diskussionen der Führungsebene."
Goldabbau statt Drogen?
Auch die wachsende Macht der Wa-Armee stellt für Thailand eine zunehmende Bedrohung dar. Inmitten des tobenden Bürgerkriegs in Myanmar hat die UWSA ihren Einfluss kontinuierlich ausgebaut. Nicht nur ihr nördliches Gebiet hat sie über wichtige Städte und Gemeinden ausgedehnt, auch im Süden hat sie ihre militärische Präsenz verstärkt. "Im vergangenen Jahr wurden tausende junge Männer der Wa-Ethnie aus dem Ausland zum Militärdienst zurückbeordert und im südlichen Shan-Staat stationiert", sagt Amara Thiha. Letzten November besetzten Wa-Soldaten gar mehrere Militärbasen in einem umstrittenen Grenzgebiet, das von Thailand beansprucht wird.
Angesichts einer drohenden Eskalation setzten sich Vertreter der Wa-Armee und des thailändischen Militärs Ende Dezember an den Verhandlungstisch. Wie die thailändische Zeitung "The Nation" berichtet, versprachen die Wa-Generäle, die mutmaßlichen Grenzverletzungen zu überprüfen und den Drogenhandel einzudämmen. Zudem erklärten sie, dass man sich mittlerweile hauptsächlich durch den Abbau von Gold und Jade finanzieren würde. Die Aussage lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Thailändischer Schutzwall
Um sich in Zukunft vor drohenden Schlammlawinen zu schützen, plant Thailand in der Grenzstadt Mae Sai eine drei Meter hohe und vier Kilometer lange Flutmauer zu errichten. Bevor die Bauarbeiten beginnen können, müssten allerdings über 800 Haushalte umgesiedelt werden. Auch Suwat Limratsiuttipon gehört zu denjenigen, die vom Sai-Fluss wegziehen müssten. Die Hoffnung auf einen Wiederaufbau seines zerstörten Ferienresorts hat er mittlerweile aufgegeben. "In meinem hohen Alter schaffe ich das sowieso nicht mehr", seufzt der 81-Jährige. Er hofft nun auf eine angemessene Entschädigung für sein Land vonseiten der Regierung. Die bislang erhaltene Soforthilfe in Höhe von rund 50.000 Baht (etwa 1.400 Euro) reiche bei weitem nicht aus, um den Verlust seiner sechs Millionen Baht (170.000 Euro) teuren Anlage zu decken.