Goldesel Champions League
26. Mai 2013London, Wembleystadion: Finale in der Champions-League. Die Spieler von Real Madrid und dem FC Barcelona, von Manchester United und Manchester City waren nur auf der Tribüne oder vor dem Fernseher dabei. Die größten und umsatzstärksten Clubs des Kontinents sind vorher auf der Strecke geblieben. Die 22 Spieler in gelben und roten Hemden, die auf dem Rasen um den Sieg kämpften, verdienen ihr Geld in der Bundesliga. Das ist ein Novum im europäischen Fußball: Zwei deutsche Mannschaften haben unter sich ausgemacht, wer das beste Team auf dem Kontinent hat.
Borussia Dortmund und Bayern München hatten dabei schon vor dem Anpfiff gewonnen - nämlich viel Geld. Henning Vöpel beschäftigt sich beim Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) mit den wirtschaftlichen Bedingungen des Profifußballs. Im Gespräch mit der DW rechnet er vor, wie viel Geld die beiden Finalisten in dieser Saison bereits verdienen konnten: "Es gab als Antrittsprämie in der abgelaufenen Saison 8,6 Millionen Euro. Dazu kommen noch die Prämien für den weiteren Erfolg. Man kann als Gewinner der Champions League bis zu 60 Millionen einnehmen."
Auch der Verlierer gewinnt
Der Verlierer bekommt auch nicht viel weniger. "Dortmund wird unter dem Strich in dieser Saison ungefähr genau so viel verdienen wie die Bayern", sagt Henning Vöpel. Dennoch sollte niemand glauben, die Westfalen hätten dann auch wirtschaftlich zu den Bayern aufgeschlossen. Sascha Schmidt von der European Business School (EBS) ist sich jedenfalls sicher: "Wirtschaftlich werden die Dortmunder nicht auf Augenhöhe mit den Münchenern sein."
Henning Vöpel teilt diese Einschätzung und verweist auf den Lizenzspieler-Etat der beiden Mannschaften: "Da hat Bayern mit 125 Millionen gegenüber Dortmund mit ungefähr 50 Millionen doch einen deutlichen Vorsprung." Wirtschaftlich sind die Bayern den Westfalen in der Tat weit voraus: So hat etwa der Münchener Spielerkader einen Marktwert von rund 430 Millionen Euro, der Dortmunder einen von 254 Millionen. Die Bayern haben mehr als doppelt so viele Vereinsmitglieder wie die Dortmunder. Die Westfalen verkaufen ihr vereinseigenes Fernseh-Programm in 12 Länder, die Bayern haben für Ihr Vereins-TV dagegen Abnehmer in 90 Ländern.
Dem Fernsehen sei Dank
Das rein deutsche Finale war für die beiden Teilnehmer eine große Sache, sportlich wie finanziell. Aber was ist mit der Bundesliga, haben auch die anderen 16 Erstligisten etwas von diesem Endspiel? Für Henning Vöpel vom HWWI ist klar, dass die "ebenfalls profitieren." Auch EBS-Forscher Sascha Schmidt ist überzeugt, dass sich das "Finale mit zwei deutschen Mannschaften positiv auf alle anderen Vereine auswirkt."
"Dadurch, dass die Liga in ein globales Schaufenster tritt", erklärt Sascha Schmidt im Interview mit der DW, ergebe sich ein "enormer Werbeeffekt für die ganze Liga, weil die Vermarktungsmöglichkeiten der TV-Rechte steigen." Die zentrale Vermarktung der TV-Rechte in der Bundesliga sorgt dafür, dass alle Vereine etwas vom Kuchen abbekommen. Die großen Vereine schneiden sich natürlich ein größeres Stück heraus, aber die Kleinen gehen wenigstens nicht leer aus.
Ein weiterer Vorteil für die anderen Erstligisten: Je besser die Liga im Vergleich zur europäischen Konkurrenz dasteht, umso mehr Bundesligisten können in der Champions-League spielen. So dürfen zurzeit vier deutsche Mannschaften am Wettbewerb teilnehmen. Schwächere Ligen haben nur zwei oder gar nur einen garantierten Platz, die Meister kleinerer Verbände müssen sich sogar noch durch eine Qualifikation quälen.
"Fans-ohne-Grenzen"
Zwar kommt der größte Teil der Einnahmen aus den Fernsehrechten, den Sponsorengeldern und den Prämien. Aber das Merchandising, der Verkauf von Fanartikeln aller Art, bekommt einen immer wichtigeren Anteil am Umsatz. Und die Kunden, die Fans also, sind im Fall dieses europäischen Endspiels keineswegs mehr nur eingefleischte Borussen aus Dortmund oder Bayern-Anhänger aus München: Auch das Fan-Wesen ist internationaler geworden: Trikots und Fahnen, Schals und Bettwäsche in Vereinsfarben werden inzwischen weltweit verkauft – und nicht mehr nur im Fanshop vor dem eigenen Stadion.
Sascha Schmidt hat an der EBS den modernen Fußballfan untersucht. In seiner Studie ist er auf den "globalisierten Anhänger" gestoßen: "Wir nennen sie 'Fans-ohne-Grenzen'. Weil es ist inzwischen üblich ist, dass Fußballfans nicht nur ihren Lieblingsverein im eigenen Land anfeuern, sondern auch im Ausland einen Favoriten haben."
Allein in Europa, so Schmidt, gebe es "etwa 41 Millionen sogenannter Fans-ohne-Grenzen, die einen Lieblingsverein im Ausland haben". Und diese Anhänger ließen sich ihre Leidenschaft eine ganz Menge kosten: "Im Durchschnitt sind das etwa 860 Euro pro Fan pro Saison."
Geschäfte ohne Grenzen
Den wirtschaftlich größten Effekt wird das Londoner Finale also gar nicht in Deutschland erzielen, sondern im europäischen Ausland. Und in Übersee, wie Henning Vöpel hinzufügt: "Besonders in Asien gibt es ein ausgeprägtes Interesse für den europäischen Fußball".
In Asien müssen die deutschen Vereine allerdings noch mächtig aufholen, denn die englischen Clubs haben den Fernen Osten schon länger im Visier. Seit über zwanzig Jahren erzielen Manchester United, Arsenal London oder der FC Liverpool hohe Umsätze auf diesem Wachstumsmarkt. Das Londoner Finale, das in 209 Länder live übertragen wird, bietet da für die Bundesliga die beste Möglichkeit, auch die "Fans-ohne-Grenzen" in Japan, Korea oder China für sich zu gewinnen.
Vorteil Bundesliga
Dass es in nächster Zeit noch einmal ein rein deutsches Finale in der Champions-League geben wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Aber Sascha Schmidt ist überzeugt, dass die deutschen Vereine mittelfristig eine gute Rolle spielen werden, und zwar "in sportlicher wie in finanzieller Hinsicht."
Die UEFA will in Zukunft darauf dringen, dass die Vereine in Europa nicht mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Ab der nächsten Saison soll daher ein "Financial Fairplay" für alle gelten. Für die deutschen Vereine, die in der Bundesliga ein strenges Lizenzierungsverfahren durchlaufen müssen, ist das nichts Neues, für die Clubs aus England, Spanien und Italien allerdings schon. Darin sieht Henning Vöpel einen Wettbewerbsvorteil für deutsche Mannschaften, weil "die anderen Vereine sich dann erst konsolidieren müssen."
Sascha Schmidt sieht das ähnlich, macht aber die Einschränkung, dass man nicht vorhersagen könne, wie ernst es der UEFA mit ihrem "Financial Fairplay" tatsächlich ist. Aber, so Schmidt zur DW: "Wenn die UEFA das wirklich durchzieht, wird sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Mannschaften erhöhen." Gute Aussichten für die deutschen Fußballfreunde und jene "Fans-ohne-Grenzen", deren zweitliebster Fußballverein in der Bundesliga spielt.