Goldgrube Irak
14. März 2006Westliche Steuergelder und irakische Petrodollars gehen im Irak eine profitable Allianz ein. Im Leben der meisten Iraker hat sich dies bislang noch nicht positiv bemerkbar gemacht. Auch, ob der irakische Staat etwas davon hat, ist fraglich. Ganz sicher aber klingeln die Kassen bei ausländischen Unternehmen. Wer wie viele Aufträge von welcher Regierung für den Wiederaufbau des Irak erhalten hat, war bislang – vermutlich im Interesse der meisten direkt Beteiligten – kaum genau nachzuvollbar. Die britische Nichtregierungsorganisation Corporate Watch hat nun zusammen mit der Tageszeitung "The Independent" eine umfassende Studie veröffentlicht.
Der Studie zufolge haben 61 britische Firmen seit dem Sturz Saddam Husseins Aufträge im Gesamtwert von umgerechnet 1,6 Milliarden Euro erhalten. Die Liste der so Bedachten umfasst private Sicherheitsunternehmen, Beratungsfirmen, Öl-Gesellschaften, Banken und Ingenieurbüros. Britische Steuerzahler werden dafür mit umgerechnet 113 Millionen Euro zur Kasse gebeten. Knapp das Neunfache davon erhalten die Unternehmen dem Bericht zufolge aus dem US-Steuertopf. Und auch die Iraker greifen kollektiv mit 240 Millionen Euro in die Tasche, um den Wiederaufbau ihres Landes durch britische Firmen zu finanzieren.
Britische Firmen kleine Fische
Mit einer Reihe von Aufträgen im Gesamtwert von 725 Millionen Euro hat sich das Bauunternehmen Amec in den vergangenen zwei Jahren den Löwenanteil gesichert, schreiben die Autoren. Neben den Aufträgen, die US-Bauunternehmer einheimsten, nimmt sich dieser Betrag jedoch bescheiden aus.
Einsamer Spitzenreiter unter den US-Firmen ist die Halliburton Corporation. Die geschäftstüchtigen Texaner ergatterten mit ihrem Ableger im Konstruktions- und Ingenieursbereich Kellogg, Brown and Root (KBR) nach Recherchen des Washingtoner Center for Public Integrity allein bis Mitte 2004 Aufträge von umgerechnet 10 Milliarden Euro. Das ist etwas mehr als doppelt so viel wie für die Nummer zwei in der Liste, den kalifornischen Bauriesen Parsons Corporation.
In anderen Bereichen aber übernähmen britische Firmen die führende Rolle, sagt Loukas Christodoulou von Corporate Watch in Oxford: etwa bei privaten Sicherheitsdiensten. Von den schätzungsweise 20.000 bis 30.000 privaten Sicherheitsleuten im Irak stünde etwa die Hälfte im Dienst von Firmen, die von britischen Ex-Offizieren und mindestens zwei ehemaligen britischen Verteidigungsministern geführt würden.
Die britischen Firmen bedienen offenbar noch eine weitere Spezialität. Während im Bereich des physischen Wiederaufbaus das Feld weitgehend den US-Firmen gehört, "sind britische Beratungsunternehmen maßgeblich am Wiederaufbau des irakischen Staatsapparates beteiligt", so Christodoulou. Er nennt unter anderem Adam Smith International, eine Beratungsfirma, die eng mit einem Think-Tank assoziiert ist, dessen Arbeit bereits die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher zu schätzen gewusst habe. So versuchten diese Firmen, die Arbeitsweise und Struktur der neuen irakischen Ministerien mitzugestalten.
Politberater installieren Ideen
Während also US-Firmen vorzugsweise die Infrastruktur des Irak wieder aufbauen, installieren die Briten Ideen. "Damit versuchen sie den Staat in eine neoliberale Richtung zu lenken, der es Privatunternehmen von vorneherein erleichtert, eine dominierende Rolle zu spielen," sagt Christodoulou. Ausländischen Firmen würde so auf Jahre im Voraus eine satte Ernte gesichert.
Etwas skeptischer sieht dies der Irak-Experte Henner Fürtig vom Deutschen Orient-Institut in Hamburg. Ob die Beratungsfirmen mittelfristig den Staat derartig beeinflussen könnten, sei fraglich. In einem unsicheren Umfeld spielten die unmittelbaren politischen Entscheidungen die wichtigste Rolle. "Und die werden vom Präsidenten Dschalal Talabani oder dem Premierminister Ibrahim Dschaafari mit den engsten Vertrauten hinter verschlossenen Türen getroffen. Direkten Zugang dazu hat hauptsächlich die amerikanische Seite", sagt Fürtig.
Damit dominierten amerikanische Interessen in jedem Fall. Etwas anderes decke sich auch nicht mit den militärischen Realitäten. "Die USA haben 130.000 Soldaten im Land, die Briten 8000 – und selbst die könnten bis 2007 schon abgezogen sein", sagt Fürtig.
Tatsächlich spielten die britische Regierung, Streitkräfte und Unternehmen mit Hinblick auf die USA eine sehr ähnliche Rolle, sagt Christodoulou. "Sie alle fungieren im Grunde als Vertragsnehmer der US-Regierung oder US-Unternehmen respektive."
Westliche Firmen effizienter?
Das Argument, die Vergabe an britische oder US-Unternehmen sei effizienter und gestalte den Wiederaufbau des Irak zügiger, sei nicht stichhaltig, wirft Christodoulou ein. "Die Gewerkschaft der irakischen Ölarbeiter hat 28.000 Mitglieder. Sie sagt, sie könne einen Teil der Ölförderanlagen alleine und preiswerter wieder aufbauen. Sie haben die Erfahrung, die lokale Expertise und glauben, die noch funktionsfähigen aber ungenutzten Teile der noch existierenden Infrastruktur entsprechend einsetzen zu können – wie sie es bereits nach den vergangenen zwei Kriegen getan hätten." Oftmals seien es jedoch die mit dem Wiederaufbau beauftragten ausländischen Firmen, die die notwendigen Blaupausen nicht herausgeben wollten, sagt er.
Dass ausländische Konzerne kein Interesse an lokaler Billigkonkurrenz hätten, sei nachvollziehbar, sagt Henner Fürtig. "Die Aussagen der Gewerkschaft sind aber eher politische Propaganda." Deren "Erfahrung" stamme aus einer Zeit, als die Gewerkschaften unter Saddam Hussein gleichgeschaltet worden seien.
Wahlkampfspenden helfen
Fast scheint es, dass die US-Konzerne kaum etwas falsch machen könnten. Dagegen haben sie sich nicht zuletzt mit ihren Wahlkampfspenden an die großen Parteien in den USA versichert. Wie das Center for Public Integrity ermittelte, ist die Rangliste der zehn größten Wahlkampfspender beinahe deckungsgleich mit dem Ranking der US-Konzerne, die zwischen 1990 und 2002 die meisten Regierungsaufträge erhielten.
Und selbst wenn die Unternehmen etwas falsch machen – ist es richtig. Die Rechnungsprüfer der US-Regierung haben die undurchsichtige Preisgestaltung und die Buchführungsmethoden bei Halliburton-KBR wiederholt kritisiert. Gezahlt hat die Regierung dennoch beinahe den vollen Preis.
Seit dem vergangenen Jahr hat 2005 Halliburton weitere Regierungsaufträge im Wert von umgerechnet 4,4 Milliarden Euro erhalten – der letzte davon vom US-Heimatschutzministerium Ende Januar 2006. Für 320 Millionen Euro soll das Unternehmen fünf Jahre lang die Notfallunterstützung der US-Grenzaufsicht gewährleisten – etwa durch die Bereitstellung von Abschiebehaftanstalten für den Fall eines plötzlich anschwellenden Flüchtlingsstroms in die USA.