Google droht mit Rückzug aus China
14. Januar 2010Im Streit mit den chinesischen Zensoren ist Google nun sogar vorgeprescht – viele bisher gesperrte Suchbegriffe und Bilder sind momentan offenbar auch von China aus abrufbar. Allzu lange dürfte das aber nicht so bleiben, denn die chinesischen Behörden haben Möglichkeiten, Google selbst zu zensieren oder ganz zu sperren – und das innerhalb kürzester Zeit.
Die Technik dazu haben die Chinesen innerhalb der letzten Jahre systematisch auf- und ausgebaut: Die "Great Firewall of China" wie sie gemeinhin genannt wird – die "große, chinesische Internet-Mauer". Diese besteht aus einer Kontrolle aller Internetdaten, die in das Land hineinkommen oder von China aus verschickt werden. Die Details dieser Kontrolle sind Staatsgeheimnis, in den Grundzügen weiß man aber, wie die Behörden arbeiten. So gibt es gleich zwei Möglichkeiten, Inhalte und Seiten zu zensieren.
Komplett gesperrte Seiten
Zum einen ist es möglich, Angebote komplett zu sperren. Dazu dient ein so genannter "IP Filter". Jede Internetseite ist über eine individuelle Nummer erreichbar, die so genannte IP-Adresse. Diese Nummer ist weltweit einmalig, es ist sozusagen die Postanschrift einer Internetseite. Bestimmte Seiten werden von den Chinesen mittels der IP-Adresse blockiert – ruft man beispielsweise von China aus das Angebot der Menschenrechtsorganisation "amnesty international" auf, bekommt der Nutzer nur eine Fehlermeldung zu sehen – gerade so als würde die gewünschte Internetseite gar nicht existieren.
Es gibt Möglichkeiten, diese Sperre mittels so genannter Proxy-Server zu umgehen. Das sind Server, auf denen die zensierten Seiten zwischengespeichert werden – sie bekommen dadurch eine neue IP-Adresse. Allerdings sind die chinesischen Behörden dazu übergegangen, bekannte Proxy-Server ebenfalls zu blockieren – die Schlupflöcher sind in den letzten Jahren damit kleiner geworden.
Bestimmte Begriffe werden gefiltert
Die zweite Form der Internetzensur ist deutlich aufwändiger – dazu macht sie das Netz in China langsamer als in anderen Teilen der Welt. Mithilfe eines Filters lassen sich bestimmte Inhalte für chinesische Nutzer gezielt ausblenden – die Daten werden dazu offenbar auf Schlüsselwörter untersucht. Die Möglichkeiten der Behörden sind hier aber anscheinend noch nicht soweit, dass man den kompletten Datenverkehr überwachen könnte. Für ausländische Firmen wie Google, die eine eigene Seite in China betreiben wollen, gibt es daher die Auflage, selbst einen Filter zu installieren.
Eine Auflage, an die Google sich bisher auch gehalten hat. Im Ergebnis bekommen chinesische Nutzer zwar Ergebnisse präsentiert, die nicht der ganzen Wahrheit entsprechen. Nach Aussage vieler chinesischer Internet-Nutzer gibt es jedoch hin und wieder Ausreißer – es rutscht das ein oder andere Ergebnis durch, dass bei einem direkt von den Behörden installieren Filter keine Chance hätte.
Viele Internetnutzer in China sind daher traurig über Googles möglichen Komplett-Rückzug. Über die Art der Filterung und die Schlüsselwörter hat es zwischen Google und den chinesischen Behörden schon des Öfteren Diskussionen gegeben. So ist das Videoportal "youtube", das ebenfalls zu Google gehört, von China aus zeitweise nicht erreichbar. Die Behörden fordern einen strengeren Inhaltsfilter, um die Seite wieder im Land zuzulassen.
Google könnte durch den Rückzug sogar gewinnen
Google und sein China-Engagement haben aber nicht nur einen politischen Aspekt; im Hintergrund geht es auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. China gilt als einer der attraktivsten Märkte für Internetunternehmen weltweit – bei mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern keine große Überraschung. Zudem soll es schon jetzt in China mehr Internetnutzer als in den USA geben. Ein Markt, auf den Google als globaler Internetkonzern nicht verzichten will.
Allerdings ist der Konzern in China bisher längst nicht so erfolgreich wie in anderen Teilen der Welt – der Marktanteil soll bei maximal 30 Prozent liegen. Auch das könnte für Google ein Grund sein, einen Rückzug aus China in Kauf zu nehmen. Denn zugleich würde man ein deutliches Zeichen setzen, dass man sich nicht automatisch den Vorgaben einer fremden Regierung beugt. Für Google könnte sich das auszahlen – letztlich braucht man das Vertrauen der Anwender, um erfolgreich zu sein. Haben Nutzer Angst, ihre Daten werden direkt an staatliche Stellen weitergegeben, werden viele auf die Nutzung eher verzichten.
Autor: Jörg Brunsmann
Redaktion: Andreas Ziemons