"Ein guter erster Schritt"
7. September 2018Ein kurzes Lächeln, dann winkte Toni Kroos den noch verbliebenen Fans im Münchener Stadion zu. Er wirkte erleichtert, wie die ganze Mannschaft, die nach einer Ehrenrunde aber bereits in den Katakomben verschwunden war. Nur Kroos genoss noch ein wenig die Stimmung an diesem Donnerstagabend.
Das torlose Unentschieden gegen den amtierenden Weltmeister Frankreich hatte Spuren hinterlassen. "Das war heute ein guter erster Schritt", analysierte Leon Goretzka. "Es ging darum, den Leuten zu zeigen, dass das Herz noch schlägt", ergänzte Thomas Müller. Gut drei Monate nach dem WM-Debakel in Russland präsentierte die Nationalmannschaft ein anderes Gesicht. "Das war dem Bundestrainer besonders wichtig", erklärte Goretzka. "Wir wollten mehr Einsatzwillen und Engagement auf dem Platz zeigen. Ich glaube, das ist uns gelungen."
Mbappe zaubert, Deutschland verteidigt
Mit großer Laufbereitschaft und hoher Konzentration hatte die DFB-Elf die Franzosen immer wieder am Torschuss gehindert. Aggressiv versuchte der Ex-Weltmeister die Gäste am Spielaufbau zu hindern, was meistens auch gut gelang. Auch dem Bundestrainer hatte die Defensiv-Leistung seiner Mannschaft gefallen. Man habe die Zweikämpfe angenommen und sie auch gewonnen, so Löw.
Selbst der agile Kylian Mbappe, der mit seinen Hackentricks und schnellen Richtungswechseln die deutsche Abwehr immer wieder vor Probleme stellte, konnte an diesem Abend nicht entscheidend in das Spiel eingreifen. "Er hat heute wieder gezeigt, dass er ein Weltklasse-Fußballer ist oder sich zumindest auf dem Weg dahin befindet", sagte Goretzka und ergänzte grinsend: "Ich kann mir vorstellen, dass es auf der Tribüne Spaß gemacht hat."
Lob für DFB-Fans
Spaß hatten die deutschen Fans aber vor allem an der Leistung der DFB-Elf. Immer wieder stimmten die Besucher in der ausverkauften Münchener Arena "Deutschland, Deutschland"-Rufe an. Jede gute Aktion oder erfolgreiche Grätsche wurde mit lautem Applaus belohnt. "Das Publikum muss ich positiv erwähnen", freute sich Goretzka. "Man hatte vom ersten Moment an das Gefühl, dass wir zusammen eine Einheit sind und deswegen hat es auch sehr viel Spaß gemacht."
Beifall für Ilkay Gündogan
Das Verhältnis zwischen Nationalmannschaft und Anhängern scheint sich wieder zu verbessern. Die vergangenen Monate voller sportlicher und auch menschlicher Enttäuschungen sind fast vergessen. Die Fans stehen wieder hinter ihrem Team. Für Ilkay Gündogan, der beim letzten Test gegen Saudi-Arabien vor dem WM-Turnier Mai - aufgrund eines Besuchs beim türkischen Präsidenten Recep Erdogan - noch gnadenlos ausgepfiffen wurde, konnte heute Eigenwerbung betreiben. Als der 27-Jährige nach gut einer Stunde eingewechselte wurde, hallten zwar vereinzelte Pfiffe durch die Arena, die überwiegende Teil aber applaudierte. "Ich bin stolz ein Teil dieser Mannschaft zu sein", sagte der Mittelfeldspieler und berichtete von guten Gesprächen mit Joachim Löw. "Er hat mir gesagt, dass er froh ist, dass ich weitermache und das ich nach wie vor Teil der Gruppe bin - und ich sehe das auch so."
Das Team scheint wieder enger zusammen gerückt zu sein und der Bundestrainer hat offensichtlich die richtigen Worte gefunden, um seine Spieler aus dem WM-Delirium zu holen. Die Basis ist für einen erfolgreichen Neuanfang ist somit gelegt. "Wir befinden uns in einem Prozess", sagte Löw. "Es wäre naiv zu glauben, man könnte die WM mit einem Spiel vergessen machen. Rehabilitieren können wir uns erst beim nächsten Turnier, bei der EM 2020." Zuvor soll aber am kommenden Sonntag gegen Peru der nächste Schritt erfolgen.