Bessere Brandvorbeugung gefordert
28. August 2009DW-WORLD.DE: Herr Radday, Athen hatte bisher einen richtigen Grüngürtel. Die Menschen sind früher in die Natur gefahren, haben sich dort erholt. Jetzt findet man dort nur noch eine Aschewüste vor. Damit sinkt die Lebensqualität der Menschen in Athen. Rechnen Sie darüber hinaus auch mit weitreichenden ökologischen Folgen?
Markus Radday: Dadurch, dass eine Großstadt wie Athen, die vorher von einem Grüngürtel umgeben war, jetzt so stark von den Bränden betroffen ist, werden sich dann auch Temperaturen bemerkbar machen, die es so in der Vergangenheit nicht gegeben hat.
Um wie viel Grad können die Temperaturen beispielsweise steigen?
Darüber kann man jetzt erst mal nur spekulieren. Man muss sich erstmal das ganze Ausmaß ansehen: Wo sind genau diese Wälder abgebrannt? Wo sind Luftströmungen, die vorher durch diese Wälder kanadisiert worden sind? Und dann könnte man fragen, ob es in Athen wirklich merklich heißer wird oder ob sich vielleicht die Folgen in Grenzen halten.
Können sich die Wälder denn selbst regenerieren?
Unsere Kollegen vom WWF in Griechenland haben uns nach einer Besichtigung der abgebrannten Flächen gesagt, dass sich etwa 50 Prozent dieser 200 Quadratkilometer, die abgebrannt sind, nicht mehr auf natürliche Weise regenerieren können. Das heißt, der Mensch muss da nachpflanzen und das ist in diesem Berggelände mit den Karstböden eine äußerst mühevolle und auch kostspielige Angelegenheit.
Wie lange dauert es, bis ein Wald dieser Art und Größe wieder nachgewachsen ist?
Bis wir den Eindruck haben, dass da ein richtiger Wald wächst, da werden mindestens drei Jahrzehnte vergehen. Dann sind diese Kiefernwälder etwa 15 bis 20 Meter hoch gewachsen. An einigen Stellen wird dort auch wieder das wachsen, was es schon vorher gab. Ein Buschland, das nicht so aussieht wie Wald, aber das dennoch eine fast natürliche Vegetation ist in diesen Breiten.
Warum gelingt es den Griechen nicht, die Feuer frühzeitig einzudämmen, wenn sie mal ausgebrochen sind?
Es liegt noch mehr an der Ineffizienz der eigentlichen Brandbekämpfung. Die Feuerwehren sind schlecht ausgerüstet. Sie haben seit der letzten Brandkatastrophe 2007, die ja noch viel verheerender war als die der vergangenen Tage, nicht ausreichend trainiert, sie sind nicht ausreichend ausgestattet mit Personal. Ein Teil dieser Leute war während der Hochsaison der Brandzeit im Urlaub. Und dann liegt es auch daran, dass es eine schlechte Zusammenarbeit zwischen den Behörden gibt, zum Beispiel zwischen der Forstverwaltung und den Feuerwehren. Für diese ganzen 200 Quadratkilometer, die abgebrannt sind, stehen vielleicht gerade mal zwei, drei Förster zur Verfügung. Und die sind natürlich nicht in der Lage, diese Flächen zu kontrollieren.
Was kann man für die Vorbeugung der Brände tun?
Also die Brandprävention ist nach Meinung des WWF die weitaus wichtigere Aufgabe als die Bekämpfung. Natürlich, wenn die Feuer ausgebrochen sind, dann muss alles getan werden, um sie einzudämmen. Griechenland gibt 300 Millionen Euro aus für die Feuerbekämpfung, dem gegenüber stehen nur 16 Millionen Euro für die Prävention. Und diese bedeutet beispielsweise, dass man Feuerschneisen anlegt, also wald- und vegetationsfreie Streifen, die das Feuer daran hindern, von einem Waldgebiet oder einem Feld auf ein anderes hinüber zu springen. Dass man Felder beispielsweise, an denen sich brennendes Material ansammelt, wie trockenes Gras oder Gehölz, Reste, frei hält. Früher wurde das in Griechenland durch die Landwirte in der Region gemacht, aber gerade gibt es dort eine regelrechte Landflucht. Viele Leute ziehen aus den ländlichen Regionen in die Städte und dadurch werden diese Flächen auch nicht mehr gepflegt.
Ist es tatsächlich so, dass Brandstiftung in geschützten Naturgebieten begangen wird, weil man dort dann bauen kann, wenn diese abgebrannt sind?
In allen Mittelmeerländern haben wir es mit dem Problem zu tun, dass auf Grund von Bauspekulationen Flächen angezündet werden. Dann wird gesagt, hier ist ohnehin nichts Natürliches mehr da. Jetzt wollen wir hier Bauland erschließen. Das ist in fast allen Ländern verboten, mit Ausnahme von Griechenland. In Griechenland bestehen nicht einmal die Grundvoraussetzungen, dass in Form eines Katasters die Behörde erkennen kann, wo Wald und wo kein Wald ist und wem das Gelände gehört. Diese Kataster existieren nicht.
Und warum sind die Regierungen in Griechenland so untätig?
Das ist ein Schlendrian. Vielleicht ist auch ein Mentalitätswandel notwendig. Aber diese Aufgabe, ein solches Kataster aufzubauen, hat die griechische Regierung schon seit 1995 und kommt nur äußerst schleppend voran. Aber auch in Griechenland gibt es, weil es EU-weit so verpflichtend ist, ein Gesetz, dass im Wald nicht gebaut werden darf. Und dieses Gesetz wird in bestimmten Fällen gar nicht eingehalten, sondern Leute bauen einfach wild in der Landschaft.
Was muss getan werden, damit sich solche Katastrophen nicht wiederholen?
Zum einen muss da ein Mentalitätswandel stattfinden, nicht nur die griechische Politik, sondern auch die griechische Bevölkerung muss sich damit befassen, dass sich die Brandsaison in den nächsten Jahren verlängern wird und bis zu zwei Monate in den Herbst hinein andauern wird. Die Behörden und die Feuerwehren müssen mit dem notwendigen Material und vor allem mit Personal ausgestattet werden. Insbesondere die Forstbehörde braucht fünfmal mehr Personal als zurzeit vorhanden ist. Und dann müssen natürlich die Gesetze eingehalten werden. Es muss darauf geachtet werden, dass eben auf dem Land, auf dem es gebrannt hat, mindestens zwei- oder drei jahrzehntelang nicht gebaut werden darf. Dieses Bauverbot muss ganz stark kontrolliert werden. Und letztlich geht es auch darum, die Brandstifter, die für diese Spekulation Brände gelegt haben, stärker verfolgt werden und auch mit entsprechenden Strafen zu rechnen haben.
Der World Wide Fund For Nature (WWF) ist eine der größten Naturschutzorganisationen der Welt und in mehr als 100 Ländern aktiv. In 140 Ländern rund um den Globus führten 2008 etwa 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Projekte zur Bewahrung der biologischen Vielfalt durch.
Das Interview führte Andrea Steinert.
Redaktion: Nicole Scherschun