Schlagabtausch der Bilder
25. Februar 2010Ein Zeitungs-Aufmacher wird zum Politikum: Nachdem das Münchner Magazin "Focus" auf seinem Titel die griechische Göttin Aphrodite mit erhobenem Mittelfinger zeigte und über "Betrüger in der Euro-Familie" lästerte, erlaubte sich die Athener Tageszeitung "Eleftheros Typos" im Gegenzug eine Fotomontage der Göttin Viktoria mit Hakenkreuz. Der griechische Parlamentspräsident Petsalnikos erklärte, "dass die deutsche Presse manchmal hysterisch reagiere", und beschwert sich beim deutschen Botschafter wegen des Fokus-Titels.
Vassiliki Georgiadou, stellvertretende Professorin für Politikwissenschaft an der Panteion-Universität in Athen, ist ebenfalls empört über den "Focus"-Titel. Man könne doch nicht "über ein ganzes Land herziehen und elf Millionen Griechen pauschal als Betrüger und Faulpelze diffamieren," meint sie.
Dass so manche Journalisten erst einmal mit dem moralischen Zeigefinger und jetzt auch noch mit erhobenem Stinkefinger daherkommen, gehe einfach zu weit, meint die Wissenschaftlerin, die ihre Doktorarbeit in Deutschland geschrieben hat: "Der FOCUS hat eindeutig Grenzen überschritten. Sein Cover ist eine ästhetische Zumutung, der Text wirkt plakativ und schlimmer noch: Es wird verallgemeinert und im Endeffekt eine kollektive Schuld aller Griechen am Zustand der Wirtschaft ausgesprochen", sagt Georgiadou.
Sie fügt hinzu: "Ich gehöre aber zu den Leuten, die hart arbeiten und fleißig ihre Steuern zahlen, wieso bin ich ein 'Betrüger der Euro-Familie'? Das verstehe ich nicht." Darüberhinaus warnt, sie, es habe einen schlechten Beigeschmack, wenn Deutsche eine Kollektivschuld aussprächen: "Die Deutschen haben selbst in der Vergangenheit ihre eigene Kollektivschuld am 2. Weltkrieg und der Judenvernichtung abgelehnt - zu Recht, wie ich finde."
"Neigung zu Überreaktionen"
Die Athener Hochschullehrerin hat bereits einen Protestbrief an die FOCUS-Redaktion geschrieben. In seriösen Medien sei die Berichterstattung allerdings korrekt und in der Regel ziemlich objektiv, so die griechische Wissenschaftlerin. Sie hält es allerdings für übertrieben, den deutschen Botschafter einzubestellen, nur weil deutsche Journalisten missliebige Reportagen liefern: "Aber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kochen die Emotionen schnell mal hoch und dann kann es eben auch zu Überreaktionen kommen," erklärt Vassiliki Georgiadou. "Wenn sich in Griechenland ein Gefühl der Unsicherheit breitmacht, dann neigen wir immer zu Überreaktionen", räumt sie ein.
Die Nerven liegen in Griechenland blank: "Gerade in Krisenzeiten, angesichts der angespannten Wirtschaftslage, fühlen sich viele Menschen unsicher und aus diesem Grund nehmen sie erstmals sogar Gehaltskürzungen in Kauf. Da nützt es wenig, dass die übrigen Europäer Griechenland ständig mit Kritik überschütten. Es wäre doch viel sinnvoller, wenn sie uns weiterhelfen könnten."
Gegeforderung: Reparationen
Der Titel des "FOCUS" solle Trittbrettfahrer aber nicht ermutigen, mit populistischen Angriffen, gegen Deutschland zu polemisieren, mahnte die gemäßigte Athener Tageszeitung "Kathimerini". Ganz anders der populäre TV-Sender "Alter", der zur besten Sendezeit eine vierstündige Talkrunde über griechische Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg ausstrahlte. Mittlerweile fordern sogar Oppositionspolitiker die Regierung auf, Reparationszahlungen von Deutschland zu verlangen. Und auch der sozialistische Vize-Premier Pangalos erinnert an die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht.
Die Politikwissenschaftlerin Vassiliki Georgiadou mahnt indes zur Besonnenheit: "Wir dürfen diese Geschichte nicht immer dann aus der Schublade holen, wenn Misstöne zwischen Griechenland und Deutschland laut werden. Es gibt doch Politiker und Gerichte, die ein für alle Mal klären können, ob es überhaupt offene Reparationsforderungen gibt oder nicht."
Im Moment hat Griechenland allerdings ganz andere Sorgen. Mitte März soll die Regierung Papandreou bei der EU-Kommission zum Rapport antreten - und glaubhaft machen, dass der Kampf gegen die griechische Rekordverschuldung bereits Früchte trägt. Ansonsten drohen weitere Sparmaßnahmen - und eine ganz schlechte Presse, auch im eigenen Land.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Mirjana Dikic/ Fabian Schmidt