Griechische Bürger gegen die Sonnenschirm-Mafia
7. August 2023Wer in Griechenland an den Strand geht, wird sich schwer tun, ein Plätzchen für sein Handtuch oder die mitgebrachte Bastmatte zu finden. Denn überall stehen Sonnenliegen, die keine Lücke übrig lassen. Reihen von gleichförmigen Sonnenschirmen versperren den Blickaufs Meer. Aufgestellt und betrieben werden die Strandmöbel von Unternehmern, Hoteliers, Barbetreibern und Cafébesitzern, die für die Miete ordentliche Summen verlangen. Bis zu 120 Euro kostet eine Luxusliege auf der Kykladeninsel Paros am Tag.
Doch dort hat sich nun Widerstand gebildet. Eine Bürgerbewegung, die gegen die illegale Privatisierung der Strände protestiert. "Wir verteidigen das Recht der Bürger und Besucher unserer Insel auf freien Zugang zu den Stränden, die wir lieben", schreibt die "Bürgerbewegung von Paros für den Schutz der Strände" auf ihrer Facebookseite. "Der griechische Sommer ist Teil unserer Seele, er ist Teil unserer Identität: Lassen wir nicht zu, dass man ihn uns wegnimmt!"
Kein Platz am Strand
In den Medien werden die Aktivisten die "Handtuchbewegung" genannt. Doch Konstantinos Bizas, Präfekt von Paros und der vorgelagerten kleineren Insel Antiparos mag diese Bezeichnung nicht. Er zieht den Begriff Bürgerbewegung für den Schutz der Strände vor. Denn darum geht es: die Strände für die Öffentlichkeit zu erhalten. "Laut Gesetz dürfen nur 50 Prozent der Strände an Unternehmen zur wirtschaftlichen Nutzung vergeben werden, die anderen 50 Prozent müssen frei bleiben. Und wenn es sich um Naturschutz-Gebiete handelt, dürfen nur 30 Prozent wirtschaftlich genutzt werden", erklärt er im Interview mit der DW. Bei den nächsten Wahlen will er als unabhängiger Kandidat für das Amt des Bürgermeisters antreten. Bis dahin engagiert er sich selbst in der Bürgerinitiative, die die Strände von Paros den Bürgern und den Besuchern zurückgeben will.
Paros ist die drittgrößte Insel der Kykladen, direkt neben der größeren Insel Naxos gelegen. Sie hat 14.000 ständige Einwohner und verfügt über 700 Tourismusbetriebe mit 25.000 Betten. Hinzu kommen weitere 10.000 Betten, die über Airbnb angeboten werden. Nach offiziellen Angaben der Hafenbehörde kamen im vergangenen Jahr 750.000 Touristen auf die Insel, angezogen von den zahlreichen schönen Stränden, von denen etwa zehn besonders beliebt sind. An diesen Stränden haben Unternehmer Bars, Cafés und Restaurants eröffnet und sich immer mehr ausgebreitet, bis es keinen freien Platz mehr gab.
Bürger protestieren gegen die illegale Privatisierung
Der pensionierte Lehrer Christos Georgousis ist einer der Initiatoren der Bürgerinitiative, die sich gemeinsam mit dem Kulturverein Archilochos für den Schutz der Strände und den freien Zugang zum Meer einsetzt. Die Situation auf der beliebten Ferieninsel sei mit der Zeit völlig außer Kontrolle geraten, sagt er. Seit zwei Jahren habe niemand mehr die Einhaltung der Vorschriften überwacht. Anfang Juni lud er daher Vertreter der lokalen Behörden und der Opposition im Gemeinderat zu einem Treffen ein, um über Lösungen zu diskutieren. Rund 200 Personen nahmen teil. Ende Juli gab es zwei Demonstrationen, an denen zunächst 300 und dann 400 Menschen teilnahmen, unter ihnen auch Ausländer, die auf der Insel wohnen oder sie regelmäßig besuchen.
"Die Bürgerbewegung richtet sich nicht gegen Touristen oder gegen das Unternehmertum", erklärt Filmregisseur Panos Kekas im Gespräch mit der DW. Die Aktivisten forderten lediglich das, was das Gesetz vorschreibe, nämlich, dass die Hälfte der Strände frei von Sonnenschirmen und Liegen sein müssten, damit Einheimische und Besucher das Meer und die Naturlandschaft genießen könnten. "Die Deutschen werden das sehr gut verstehen, denn sie lieben und respektieren die Natur und die Umwelt", sagt der Filmemacher, der seit 15 Jahren auf der Insel lebt und sich in der Handtuchbewegung engagiert. Er hat auch einen kurzen Film über das Phänomen produziert, das nicht nur in Paros, sondern in ganz Griechenland verbreitet ist.
Vetternwirtschaft und mafiöse Strukturen
An der Bürgerbewegung auf Paros beteiligen sich Menschen aus allen Parteien und allen Alters- und Gesellschaftsgruppen, betont der Mittelschullehrer und Aktivist Tasos Kasapidis. "Bürger der Bewegung haben Daten von den Behörden ins Internet gestellt und herausgefunden, dass auf Paros nur 7500 Quadratmeter zur Nutzung an Geschäftsleute vergeben wurden, diese aber insgesamt 18.500 Quadratmeter besetzen."
Doch nicht nur auf Paros werden die Strände mit Sonnenschirmen und Liegen vollgestellt. In ganz Griechenland beschränken sich Hotels und Strandbars nicht auf die von ihnen gemietete Fläche, sondern expandieren illegal, weil die Behörden die vorgeschriebenen Kontrollen nicht durchführen. In vielen Touristengebieten Griechenlands wird Menschen, die sich die hohen Preise für die Sonnenliegen nicht leisten können oder wollen, der Zugang zu den Stränden verwehrt. Nach griechischem Recht sind die Strände jedoch öffentlich und werden nur unter bestimmten Bedingungen von der Gemeinde und anderen zuständigen Behörden vermietet.
Aus wahltaktischen Gründen oder einfach, weil die Geschäftsleute mit den lokalen Politikern bekannt, verwandt oder befreundet sind, führen die Behörden die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen jedoch nicht durch, mit dem Ergebnis, dass einige wenige Personen auf Kosten eines großen Teils der Bürger finanziell profitieren.
Proteste zeigen erste Wirkung
Ein weiteres Problem neben der Vetternwirtschaft in Griechenland ist die Inkompetenz der Ämter. Mit anderen Worten: Eine Behörde schiebt der anderen die Verantwortung zu. Trotzdem hat die Bürgerbewegung für den Schutz der Strände auf Paros in den zwei Monaten ihrer Mobilisierung schon viel erreicht. "Die illegalen Besetzer der Strände werden zur Verantwortung gezogen", sagte Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Hatzidakis kürzlich in einer Erklärung.
Am beliebten Strand Santa Maria im Nordosten der Insel Paros wurden inzwischen Sonnenschirme und Liegen vom Strand entfernt, drei Geschäftsleute wurden verhaftet und angeklagt. Ein Staatsanwalt aus Athen wird auf die Insel reisen, um zu ermitteln, was vor sich geht, ein außerordentlicher Gemeinderat soll die Lage untersuchen. Und über die sozialen Netzwerke hat sich eine Welle der Solidarität verbreitet. Aus dem ganzen Land - von der Halbinsel Chalkidiki, von Kreta, Naxos, Chios und dem Peloponnes - kommen Unterstützungsbekundungen und Ratschläge.
Und auf Paros selbst feierten die Aktivisten ihren Erfolg mit einer Party am jetzt wieder zugänglichen Strand von Santa Maria.