Medienbesitzer geben politische Linie vor
26. Juni 2015Wird in Griechenland objektiv berichtet? Das sei die falsche Frage, sagt Jorgos Pleios. Jeder Journalist habe seinen eigenen, subjektiven Blickwinkel, er sollte sich aber um Unparteilichkeit bemühen. Und damit sehe es in Griechenland nicht gut aus, befindet der angesehe Medienforscher von der Athener Universität. Mit wenigen Ausnahmen seien die griechischen Medien parteiisch.
Meistens wird gegen Syriza berichtet
So hätten sie zum Beispiel in ihrer übergroßen Mehrheit vor den Parlamentswahlen im Januar die Vorgängerregierung unterstützt und vehement die jetzige Regierungspartei Syriza bekämpft. Der Grund für dieses Verhalten sind knallharte ökonomische Interessen, erklärt Professor Pleios. Normalerweise seien die griechischen Privatsender verschuldet und deshalb auf Bankkredite angewiesen. Da die Banken in Staatsbesitz sind, entscheide letztendlich über die Kreditvergabe die jeweilige Regierung. Deren Entscheidung könne man mit positiver oder negativer Berichterstattung beeinflussen. Wenn jetzt weiterhin große Privatsender gegen die neue Regierung wettern, dann läge das offensichtlich an der Ankündigung Syrizas, bereits bestehende Gesetze nun erstmals anzuwenden. So soll zum Beispiel Fernsehwerbung besteuert werden. Kredite soll es nur dann geben, wenn Medienunternehmen wirklich kreditwürdig sind.
Vielleicht kommt es aber auch nicht soweit. Glaubt man der Juni-Ausgabe der investigativen politischen Monatszeitschrift “unfollow” aus Athen, könnte sich in nächster Zeit das Verhältnis der Syriza-Regierung mit den wichtigsten Privatsendern entspannen. Nikos Pappas, das Alter Ego von Alexis Tsipras und zuständiger Minister für die Medien, soll gerade dabei sein, in Gesprächen mit Unternehmern die Medienlandschaft anders zu gestalten. Sprich: sie Syriza-freundlicher zu machen.
Interessengeleitete Berichterstattung
Wie interessensgeleitete Berichterstattung erfolgt, schildert der bekannte griechische Journalist und Autor zahlreicher politischer Bücher, Tassos Pappas. Bislang berichten rund 80 Prozent der Presse negativ über die neue Regierung. Ein probates mittel sei es, Artikel ausländischer Medien zu zitieren, die abschätzig über Syriza schreiben – über die “unerfahrene” griechische Regierung, über das “sonderbare Gebaren” von Finanzminister Janis Varoufakis. Die gleichen Medien, die monatelang die jetzige Regierung geradezu bedrängt hätten, einen Kompromiss mit den Kreditgebern zu finden, änderten ihre Haltung, als sich eine Lösung abzeichnete. Jetzt hieß es auf einmal, “was soll das denn für eine Vereinbarung sein, die die Lage der Menschen verschlechtert und die Wirtschaft abwürgt?”
Tassos Pappas, ist Redakteur bei "Efymerida ton Syntakton" (zu deutsch: "Zeitung der Redakteure"), die im Besitz ihrer Beschäftigten ist. Angesiedelt im eher linken Spektrum hat sie sich in den zweieinhalb Jahren seit ihrer Gründung zu einer der auflagenstärksten und angesehensten Zeitungen entwickelt. Sie gehört neben der liberalkonservativen "Kathimenini" und der Wirtschaftszeitung "Naftemporiki" zu den Medien, die der konservative Publizist Jorgos Kyrtsos heranzieht, wenn er sich darüber informieren will, wie es um die Verhandlungen Griechenlads mit den Kreditgebern steht.
Unternehmer als Medieneigner
Jorgos Kyrtsos, der 35 Jahre lang als Journalist, Chefredakteur und Herausgeber wirkte, sieht die meisten griechischen Medien auf das innergriechische Geschehen fixiert. Ihre xenophobe Grundhaltung zeige sich in Schlagzeilen wie: "Merkel will uns plattmachen", "Schäuble der Menschenverachter", "Lagarde, die vorgab uns zu helfen, durchgeknallt".
Auf diese Weise trügen sie nicht zur Information bei und zur Versachlichung der Diskussion um den Schuldenstreit, sondern "machen sich zum Teil des Problems". Die tieferen Ursachen für solcherart Berichterstattung lägen in den Besitzverhältnissen. Die Medienbesitzer seien Bauunternehmer, Reeder, Raffineriebetreiber, die "das politische Geschehen nach Interessenslage interpretieren lassen". Ein weiteres Problem sei die Qualität des journalistischen Personals. Die meisten, sagt der an mehreren ausländischen Universitäten ausgebildete Kyrtsos, haben keinen Hochschulabschluss, mangelhafte analytische Fähigkeiten und flüchten deshalb sehr schnell in Stereotypen und Populismus.
Es würde viel nutzen, wenn es ein funktionierendes öffentlich-rechtliches Fernsehen gäbe mit einer pluralistischen und sachlichen Berichterstattung. Das würde bei den Privaten den Druck erhöhen, ihr Angebot qualitativ zu heben.
Obwohl Jorgos Kyrtsos mittlerweile Europaabgeordneter der konservativen Nea Dimokratia ist, verurteilt er deren Entscheidung vor zwei Jahren, den öffentlich-rechtlichen Sender ERT zu schließen. Die Tatsache, dass die jetzige Regierung in dem in diesem Monat wieder eröffneten ERT einen Intendanten und einen Programmdirektor eingesetzt hat, die keine Parteigänger seien und ihr Metier verstehen, findet Kyrtsos erst einmal positiv. Man müsse aber abwarten, wie es weitergehe.