Ausländerfeindlichkeit in Griechenland
29. Oktober 2010In die sonnige Morgenruhe eingebettet und vom stürmischen Regen der letzten Tage ausgespült, wirkt der Platz vor der St. Panteleimoni Kirche in der griechischen Hauptstadt friedlich. Doch er wird oft zum Schlachtfeld zwischen Einwanderern und rechtsextremen Einheimischen.
Die wenigen Menschen, die man auf den Straßen trifft, sind verängstigt und wollen keine Radiointerviews geben. "Ich will nichts sagen", so der Priester der St. Panteleimoni Kirche. Er eilt fort, um die Pforte zu schließen. Auch der albanische Barbier schneidet sich mit seiner Körpersprache andeutungsvoll die Zunge ab - er will nichts sagen.
Nächtliche Gefechte
"Hier herrscht die Gewalt. Sie schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein", sagt schließlich eine vorbeieilende Frau in einem frustrierten Tonfall. Athina, die Putzfrau des Rathauses, findet morgens manchmal die Spuren der nächtlichen Gefechte: Messer, Stöcke und Eisenstangen. Aber auch sie will nichts weiter dazu erzählen.
"Da, drüben auf den Treppen, saßen die Kinder, als drei Afghanen zu ihnen kamen und sie mit Messern stachen", erzählt Kostas, ein Mann mittleren Alters, der beim Sprechen um sich herum blickt, so als werde er verfolgt. "Dann kehrten hier 20 Menschen mit Stöcken und Messern ein und es wurde eine richtige Schlacht."
Kostas spricht vom 15. September 2010. Laut Medienberichten sollen die Afghanen zunächst einen 13-jährigen Albaner angegriffen haben. Zwei griechische Jugendliche, 19 und 24 Jahre alt, die ihm helfen wollten, erlitten Messerstiche in Bauch und Oberschenkel.
Plaka Hochburg der Ultrarechten
In den Polizeiberichten des St-Panteleimoni-Viertels findet man oft solche Geschichten. Alleine in den letzten zwei Monaten gab es über 30 Streitereien zwischen den farbigen Einwanderern und den rechten Gruppierungen. In einem Drittel der Fälle waren auch Messer und andere Waffen mit im Spiel. Auf beiden Seiten waren und sind nach wie vor Opfer zu beklagen.
Der St. Panteleimoni-Platz befindet sich im touristischen Viertel Plaka und gilt als Hochburg der ultrarechten Gruppierungen. Selbsternannte "Gruppen der zivilen Verteidigung" haben sich als Ziel gesetzt, das Viertel von Migranten zu befreien. Maskierte und unmaskierte Jugendliche greifen immer wieder willkürlich - meist farbige - Zuwanderer an.
Manchmal sind die rassistisch motivierten Angriffe aber auch durchdachter. Erst Anfang Oktober klärte die Polizei den Mord an einem jungen Pakistani auf, der als Pizza-Lieferant arbeitete und durch eine Bestellung zum Tatort gelockt wurde. Der mutmaßliche Täter - ein junger Grieche - sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Seine zwei albanischen Komplizen, hingegen, seien auf der Flucht, so die Polizei.
Geänderte Vorzeichen
Dass ausgerechnet Albaner, die vor zwanzig Jahren selber Zielscheibe der Ausländerfeindlichkeit in dem südeuropäischen Land waren, jetzt auf Seite der griechischen Nationalisten sind, überrascht Spiro Qytyku nicht. "Ich bin einer der ersten, der sich mit den Schwarzen prügeln würde. Sie sind ungezogen und wissen nicht, wie man in Griechenland zu leben hat", sagt der vor zwanzig Jahren aus einer mittelalbanischen Stadt eingewanderte Spiro.
Gemeinsam mit einigen anderen Landsleuten sitzt er an diesem Morgen auf einer Bank am Panteleimoni-Platz und spielt Karten. Die Polizisten, die seit den letzten Angriffen den Platz verstärkt überwachen, lassen sie in Ruhe. Es gibt keine überraschenden Ausweiskontrollen mehr, wie es in den 90er Jahren gang und gäbe war, als die meisten der heute rund 500.000 albanischen Zuwanderer noch illegal hier lebten.
Missgunst gegen neue Migranten
"Mit den Griechen verstehe ich mich bestens. Jedes Mal wenn sie ein Problem mit den Schwarzen haben, bin ich auf ihrer Seite." Dann erzählt Spiro voller Stolz, wie er vor zwanzig Jahren aus Albanien nach Griechenland eingewandert sei und mittlerweile gut integriert sei: Alles hier habe er durch harte Arbeit erreicht, sagt der Vater von vier Kindern.
Die Taufpaten seiner Kinder seien auch Griechen. Und was habe er gegen die Schwarzen? "Ich bin kein Rassist, aber das Problem ist, dass nicht einmal wir hier genug zu essen haben. Sie arbeiten für nur 15 Euro am Tag, während wir hier ganz normale Löhne mit Sozialversicherung verlangen." Während er die Karten auf die Bank schmeißt, wiederholt er: "Ich sage dir, sie sollen von hier weggehen."
Neue Feindbilder
Der Athener Professor Janis Panusis hat für diesen Sinneswandel albanischer Emigranten in Griechenland eine Erklärung: "Die Mehrheit der Albaner sind Christen und haben sich hier sehr gut integrieren können", sagt der Soziologe und Kriminologe.
"Nun sind nicht mehr die Griechen ihre Feinde, wie es am Anfang der Fall war, sondern diejenigen, die sie fordern. Hier ist das Phänomen Arme gegen Arme. Das Feindbild ist nicht mehr das griechische Etablissement, sondern diejenigen, die das einfordern, was sie sich selber durch ihre Integration in der griechischen Gesellschaft erarbeitet haben", meint Panusis.
Auf dem St.-Panteleimoni-Platz sind mehr Menschen unterwegs. Jorgos Andrikopulos und seine Frau trinken ihren morgendlichen Kaffee: "Früher war alles schön", sagt der Rentner. "Hier wurden Filme mit berühmten Schauspielern gedreht, ja da drüben war die berühmte Konditorei 'Malamos', während jetzt die Afghanen in Scharen kommen, den Frauen die Handtaschen rauben und ihnen den Schmuck vom Hals reißen." Und die Albaner? "Ach mit denen haben wir keine Probleme, die leben ganz gut mit den Griechen zusammen."
Autor: Niko Anagnosti
Redaktion: Mirjana Dikic/ Fabian Schmidt