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Grippe-Impfung als Corona-Schutz?

27. März 2021

Wer gegen Grippe geimpft ist, erkrankt seltener und weniger schwer an COVID-19. Liegt es daran, dass sich Geimpfte vorsichtiger verhalten oder gibt es medizinische Gründe?

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Ein Mediziner setzt eine Injektion mit einem Grippeschutzimpfstoff.
Überraschung: Das ist mal kein Corona-Impfstoff, sondern einer gegen die GrippeBild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Schützt eine Grippeimpfung  etwa vor COVID-19? Und wenn ja, warum? Diese Fragen beschäftigen Mediziner, denn ein Ärzteteam um Anna Conlon von der University of Michigan kam in einer Studie im American Journal of Infection Control zu verblüffenden Ergebnissen.

Die Mediziner hatten sich Patientendaten von 27.201 Menschen aus dem US-Bundesstaat Michigan angeschaut, die bis zum 15. Juli 2020 einen COVID-19-Test gemacht hatten. Von diesen waren zuvor 12.997 gegen Grippe geimpft worden. Dabei stellte sich heraus, dass der Anteil der Grippe-Geimpften, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten, etwas geringer war als unter den Nicht-Geimpften, nämlich 4,0 statt 4,9 Prozent.

Zudem mussten die Patienten mit Grippeschutz bei einer Coronavirus-Infektion auch seltener im Krankenhaus behandelt oder beatmet werden. Außerdem waren die Krankenhausaufenthalte durchschnittlich kürzer. Bei der Sterblichkeit gab es allerdings bei den beiden Vergleichsgruppen keine signifikanten Unterschiede.

Welchen Einfluss hat die angeborene Immunabwehr?

Die entscheidende Frage für die Fachleute lautet: Gibt es dafür eine medizinische und eine mikrobiologische Erklärung? Das könnte zum Beispiel die angeborene Immunabwehr sein, die durch die Impfung möglicherweise aktiviert wird. Sie funktioniert unabhängig von der erlernten Antikörper-Immunität, die sich bei der Bekämpfung des Coronavirus vor allem auf das charakteristische Spike-Protein stürzt und es so unschädlich macht. 

Infografik Grippe-Impfquoten der über 65-jährigen 2018 (in %)

Die angeborene Immunabwehr, die möglicherweise durch die Impfung angeregt wird, besteht dagegen aus einer Reihe verschiedenartiger Elemente. Diese reagieren eher unspezifisch auf  Eindringlinge beziehungsweise Fremdkörper. Zu diesem stehenden Heer unserer Immunabwehr gehören etwa die Phyagozyten und dendritischen Zellen (Fresszellen), aber auch verschiedene Zytokine (Proteine, die bei Immunreaktionen und Entzündungsprozessen eine Rolle spielen). 

Unterschätzt: Masern - Gefährlich für Kinder und Erwachsene

Dass verschiedene Impfungen grundsätzlich gut für die Immunabwehr sind, ist etwa von der Masernimpfung bekannt. Epidemiologische Studien haben da bereits vor Jahren gezeigt, dass geimpfte Kinder auch sehr lange nach der Impfung noch eine höhere Immunität gegen eine Vielzahl von Erregern hatten als Nicht-Geimpfte. 

Oder ist es doch nur Korrelation?

Denkbar ist aber auch, dass einfach weniger Menschen mit Grippe-Schutzimpfung an COVID-19 erkrankt sind, weil diese sich vorsichtiger verhalten haben als Nicht-Geimpfte. So lassen sich üblicherweise mehr Menschen aus Risikogruppen (Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen) gegen Grippe impfen als junge und gesunde Menschen. In den USA etwa hatten sich bereits im vergangenen Jahr viele Senioren und Rentner frühzeitig in eine freiwillige Isolation begeben, während andere Menschen noch arbeiten mussten.

Gegen eine solche Korrelation sprechen indes zwei Indizien: Senioren zeigen typischerweise auch heftigere COVID-19-Krankheitsverläufe, was in der Michigan-Studie ja gerade nicht der Fall war. Zudem gibt es unabhängig davon eine nicht begutachtete Vorab-Studie aus dem vergangenen Jahr, die eher auf eine immunologische Erklärung hindeutet: Unter niederländischen Krankenhausbeschäftigten, die im Winter 2019/2020 eine Grippeimpfung erhalten hatten, trat COVID-19 deutlich seltener auf als unter jenen, die nicht geimpft waren.

Und in diesen beiden Gruppen gab es keine Senioren über 70 Jahren, alle Untersuchten waren berufstätig und hatten entsprechend viele Kontaktbegegnungen. 

Heißt das, Sie sollten sich jetzt gegen Grippe impfen lassen?

Die Studien zeigen vor allem erst einmal, dass mehr Forschung über die Rolle des angeborenen Immunsystems notwendig ist. Und es gibt noch einige Unsicherheiten über die Ergebnisse der Studien. Der Schutz gegen COVID-19 sollte nicht die treibende Kraft für eine Grippeimpfung sein. 

Aber die Impfung ist ohnehin zu empfehlen, da eine Grippe auch lebensbedrohlich sein kann.

Die beste Zeit für eine Impfung ist normalerweise im Herbst, kurz vor der neuen Grippesaison. Noch wichtiger: Wenn Sie Ihr Immunsystem wirklich stärken wollen, sollten Sie mit Ihrem Arzt Ihren gesamten Impfstatus überprüfen und einen umfassenden Impfplan aufstellen. 

Vergewissern Sie sich, dass Sie alle empfohlenen Impfungen und Auffrischungen gegen die gefährlichsten Krankheiten haben, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Mumps, Masern, Röteln, Tetanus, Kinderlähmung, Diphtherie, Keuchhusten, Tuberkulose, Pocken, Hepatitis A und B, Gürtelrose und ggf. FSME und humane Papillomviren.  

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen