Großdemonstration gegen Erdogans Politik
17. Mai 2009Mehr als 100.000 Regierungsgegner sind am Sonntag (17.05.2009) in der türkischen Hauptstadt Ankara auf die Straße gegangen. Sie demonstrierten für die Trennung von Religion und Staat. Die Demonstranten schwangen türkische Flaggen und trugen Banner mit der Aufschrift "Die Türkei ist laizistisch und sie bleibt laizistisch", als sie sich auf einem Platz in der Innenstadt versammelten. Von dort zogen sie zum Atatürk-Mausoleum, wo sie bereits von weiteren tausenden Kundgebungsteilnehmern erwartet wurden.
Proteste gegen Festnahmen von Intellektuellen
Veranstaltet wurde die Großdemonstration von der "Vereinigung für kemalistisches Gedankengut". Die Organisation macht sich für das Vermächtnis von Mustafa Kemal Atatürk stark, dem Gründer des modernen und laizistischen Staats. Die Proteste richteten sich auch gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die steigende Zahl von Arbeitslosen sowie gegen die Festnahme von Intellektuellen, die sich für den Erhalt des Laizismus in der Türkei eingesetzt hatten.
Diese Festnahmen standen im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Geheimbund Ergenekon. Dem Netzwerk wird vorgeworfen, einen gewaltsamen Umsturz der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geplant zu haben. Die ultranationalistische Gruppe soll außerdem in mehrere Anschläge der vergangenen Jahre verwickelt sein. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft mehr als 200 Beschuldigte der Verschwörung angeklagt, darunter Politiker, Offiziere und Journalisten. Kritiker werfen den Behörden vor, sie versuchten auf diese Weise, die für eine säkulare Gesellschaftsordnung eintretenden Kräfte mundtot zu machen.
Erste größere Antiregierungsproteste seit 2007
Fernsehsendern zufolge beteiligten sich an den Protesten in Ankara mehr als 150.000 Menschen, die Veranstalter sprachen sogar von 300.000 Demonstranten. Rund 4000 Polizisten waren im Einsatz. Es war der erste derartige Massenprotest seit zwei Jahren. Millionen von Menschen waren damals in mehreren Städten des Landes auf die Straße gegangen - aus Protest gegen die Regierungspartei AKP, der sie eine schleichende Islamisierung der Türkei vorwarfen.
Bei der Kommunalwahl Ende März 2009 hatten die türkischen Wähler Erdogans AKP einen heftigen Dämpfer verpasst. Zwar blieb die Partei die mit Abstand stärkste politische Kraft, doch musste sie sich erstmals mit größeren Verlusten abfinden. Türkische Kommentatoren hatten dies als erste Warnung an die Adresse der AKP bezeichnet. Erdogan hatte daraufhin seine Regierung umfassend umgebildet. (kis/chr/afp/rtre/dpa/ap)