Groß, größer, Pfarrei
20. August 2022‚Groß, größer, Pfarrei‘ Das scheint nun in fast allen Bistümern die neue Maßeinheit zu sein, um arbeitsfähig zu bleiben. Wobei der Kreativität in den bischöflichen Ordinariaten in Bezug auf die Namensgebung von den neuen Gebilden zwischen 30 – 60 Tausend Katholiken wohl keine Grenzen gesetzt sind. Von Sendungs- oder Pastoralraum über Seelsorgeeinheit bis hin zu Gemeinschaft der Gemeinden finden sich hier alle möglichen Wortneuschöpfungen. Doch mit dem, was sich auch kirchenferne Menschen auf positive Weise landläufig unter dem Begriff Pfarrei vorstellen, haben diese nahezu nichts mehr gemein: Überschaubarkeit, kurze Wege zwischen ‚Pfarrheim‘ und ‚Pfarrkirche‘, ‚Pfarrbücherei‘ und ‚Pfarrbüro‘ mit verlässlicher Erreichbarkeit und über Jahre hin vertrauten Gesichtern. Menschen, die sich vor Ort und im Gefüge der Ortskirche bestens auskennen und stets Auskunft geben konnten und nicht zuletzt sammelte sich alles und alle beim jährlichen ‚Pfarrfest‘. Das heißt, ‚Pfarrei‘ als Mikrokosmos und ‚Kreuz’ungspunkt -im wahrsten Sinne des Wortes- denn selbst SeelsorgerInnen und der ‚Pfarrer‘ liefen da suchenden, fragenden oder auch nur mal ‚rein-schauenden‘ Menschen über den Weg. So ist in diesem Gefüge der Glaube weitergegeben und gelebt worden, mit dem heute so manch ein Christenmensch versucht, die ‚Kirchenkrise‘ zu überstehen! Diese kommunikationsintensive Kleinteiligkeit haben neben Stadtplanern auch die Discounter entdeckt, die nun wie auch Banken wieder mit Stadtteil bezogenen Filialen arbeiten, damit der Lebensraum ‚Veedel‘, ‚Kietz‘ oder wie auch immer genannt, attraktiv bleibt. Nicht so die Katholische Kirche, die immer größere Gebiete zusammenschließt, damit das kirchenrechtlich verfasste Leitungsmodell des geweihten Priesters als ‚Pfarrer‘ mit der ‚Pfarrei‘ deckungsgleich bleibt! Hochbezahlte Organisationsplaner und auch bischöfliche Promotoren versuchen dem verdutzten Kirchenvolk auch noch weiß zu machen, dass darin die größtmögliche Chance für die ‚Getauften‘ und die ‚Gefirmten‘ läge, nunmehr ‚Kirche‘ in eigener Regie machen zu dürfen! Doch ein Blick in die Bibel reicht, dass es in erster Linie um die Ausbreitung der Lehre Jesu, als dem Auferstandenen geht und nicht um die Rettung von Pfarr- oder Machtstrukturen. Schon in der Apostelgeschichte (Apg 8, 26-40), den Anfängen unserer Kirchengeschichte sollte die Glaubens-verkündigung mit einfachsten Mitteln erfolgen. Da befindet sich der Kämmerer der Äthiopischen Königin nach einem Gebetsaufenthalt im Jerusalemer Tempel auf der Rückreise, ausgerüstet mit dem ‚Buch‘ des Propheten Jesaja, lesend aber wenig verstehend. Wie zufällig begegnet er am Wegesrand einem Menschen namens Philippus, der nun zur Mitfahrgelegenheit eingeladen wird und ‚zufällig‘ als Schriftkundiger Rede und Antwort stehen kann. Über die Auslegung der Jesaja-Worte finden die beiden dann zum Leben und Wirken Jesu. Nach und nach ist der Hofbeamte be-Geist-ert und über das Wissen von ‚Taufe‘ wächst auch in ihm ein ‚dazu-gehören-wollen‘. Die Wasserstelle am Wegesrand tut ihr Übriges dazu, so dass der Äthiopier fragt ‚Was steht meiner Taufe noch im Weg?‘ (Vers 36). Nicht die fehlenden KüsterInnen-Stunden, der falsche Kirchort, die Begrenztheit der Tauftermine oder dass sowohl Diakon als auch Priester zeitlich passen müssen, denn der Begleiter Philippus tauft an Ort und Stelle selber und ohne Umschweife. Damit findet aber auch sein Auftrag ein Ende, denn das hier faszinierend momenthafte von ‚Kirche‘ hat seine Erfüllung gefunden ‚Der Kämmerer sah ihn (Philippus) nicht mehr, und er zog voll Freude weiter‘ (Vers 39). Folglich ist Kirche denknotwendig keine Engführung auf eine vereinsmäßig strukturierte ‚Pfarrei‘, sondern zunächst ein in Berührung-Kommen mit Gott, was den Menschen möglichst mit Freude erfüllt. Eine Wegbegleitung auf den vielfältigen Abschnitten des Lebens, die glaubwürdig fragenden und suchenden eine Sinndimension erschließen kann für den Alltag, da wo die Lehre Jesu unser Christsein verortet wissen will. Aus dieser Perspektive heraus ‚Pfarrei‘ neu gedacht, ist es dann ‚nur‘ ein Sammlungsort der Wegbegleitenden und all derjenigen, die eine weitere Kraftquelle für ihren Glauben suchen.
Jan Opiéla