Große Erwartungen an Berliner Impfgipfel
26. April 2021Der CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet will geimpften Bürgern in Deutschland alsbald die gleichen Rechte gewähren wie negativ getesteten und bereits genesenen COVID-19-Patienten. Ihm gehe es um die Gleichstellung dieser Gruppen, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick auf die Videokonferenz von Bund und Ländern. Laut Robert Koch-Institut seien Geimpfte und Genesene weniger infektiös als negativ getestete Personen. Es sei also "rechtlich geboten", dass sie dieselben Rechte hätten wie Getestete, so der Kanzlerkandidat der Union.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, betonte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir brauchen jetzt eine klare Vorgabe, dass Personen, die beide Impfungen erhalten haben, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die eine Corona-Erkrankung durchgemacht haben und nachweisbar nicht ansteckend sind, von bestimmten Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes ausgenommen werden."
Auch eine Reduzierung der Kontaktbeschränkungen, insbesondere in Alten- und Pflegeheimen, kommt für die Kommunen infrage. Landsberg betonte, dass es sich dabei nicht um die Einräumung von Sonderrechten oder Privilegien handele, "sondern um die Aufhebung nicht mehr gerechtfertigter Grundrechtseingriffe".
Eckpunktepapier mit Erleichterungen
Auch ein am Wochenende fertiggestelltes Eckpunktepapier der Bundesregierung, das für den Impfgipfel bestimmt ist, weist in diese Richtung. Konkret sollen Geimpfte und Genesene von Kontaktbeschränkungen etwa in Familien und Haushalten ausgenommen werden. Bei Reisen soll die Pflicht zu Zwangstests vor Reiseanritt und zur Quarantäne nach Rückkehr entfallen. In Läden und Märkten, Kultureinrichtungen, bei Sport und körpernahen Dienstleistungen soll eine Testpflicht ebenfalls gestrichen werden.
Der vollständige Impfschutz besteht dem Papier zufolge 14 Tage nach der letzten Impfung. Als genesen gilt demnach, wer ein mindestens 28 Tage zurückliegendes positives PCR-Testergebnis nachweisen kann. Dies gilt bis zu sechs Monate nach der Feststellung der Genesung. Als negativ getestet kann anerkannt werden, wer das entsprechende Resultat aus einem PCR-Test, einem Schnelltest oder einem unter Fachaufsicht durchgeführten Selbsttest vorweisen kann.
Opposition verweist auf Grundrechte
FDP-Chef Christian Lindner begrüßte die Pläne. "Inzwischen ist klar, dass von Geimpften nach der Zweitimpfung und einer Wartezeit keine Gefahr ausgeht. Damit entfällt jegliche rechtliche Grundlage, die Menschen bei der Verwirklichung ihrer Grundrechte einzuschränken", sagte Lindner.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte, es richtig und notwendig, Beschränkungen für Menschen zurückzunehmen, von denen nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts keine Gefahr mehr ausgeht. "Alten Menschen in Pflegeheimen, die geimpft sind, sollte es wieder möglich sein, gemeinsam zu essen. Sie sollten auch wieder Besuch bekommen. Und Großeltern sollten ihre Enkel sehen dürfen", sagte sie.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, sagte, wenn die dritte Welle vorbei sei, "wäre eine zukünftige Gleichstellung von Getesteten, Geimpften und gegebenenfalls auch Genesenen etwa beim Zugang zu Restaurants oder Geschäften aus ethischer Sicht unproblematisch". Weniger eingreifende Maßnahmen wie Abstandhalten und Masketragen müsse man aber auch ihnen weiter zumuten.
Debatte über Impfreihenfolge
Beim Impfgipfel dürfte es auch um die Impfpriorisierung gehen. Landkreistagspräsident Reinhard Sager forderte, die bisherige Reihenfolge aufzuheben. Dass einige Länder dies für das Vakzin AstraZeneca gemacht hätten, sei richtig. Dem sollten andere Länder folgen. FDP-Chef Lindner plädierte in der Zeitung dafür, die Priorisierung bei den Impfungen in den Arztpraxen "Zug um Zug aufzugeben, insbesondere wenn es um die freiwillige Verimpfung von AstraZeneca geht".
CDU-Chef Laschet mahnte angesichts steigender Impfstoffmengen ebenfalls, in den nächsten Wochen "das Impfsystem für alle zu öffnen" und "spätestens im Juni die Priorisierungen" bestimmter Gruppen bei der Impfung aufzuheben. Den Juni nennt auch das Bundesgesundheitsministerium als möglichen Zeitraum. CSU-Chef Markus Söder hält schon den Mai für möglich. "Nach dem Abarbeiten von bereits vereinbarten Impfterminen sollten alle Impfstoffe für jeden komplett freigegeben werden. Das sollte am besten noch im Mai erfolgen", sagte Söder. Der bayerische Ministerpräsident schlug ferner vor, auch Schüler ab 16 Jahren vermehrt zu impfen, wenn es genug Impfstoff geben sollte.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums beteiligen sich inzwischen mehr als 65.000 Ärzte an der Impfkampagne. In der laufenden Woche sollen demnach in den Arztpraxen erstmals mehr als zwei Millionen Dosen verabreicht werden, in der Woche darauf mehr als drei Millionen Dosen. Im zweiten Quartal dieses Jahres sind nach Angaben des Ministeriums von den verschiedenen Herstellern insgesamt 80 Millionen Impfdosen zugesagt worden.
23 Prozent bereits geimpft
Rund 23 Prozent der Deutschen haben nach Angaben des Robert Koch-Instituts eine erste Impfung gegen das Coronavirus erhalten, vollständig geimpft sind rund sieben Prozent. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag laut RKI am Montagmorgen bundesweit bei 169,3.
Derweil forderte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz einen "Fahrplan zurück ins normale Leben". "Ende Mai sollten wir in der Lage sein, belastbare Aussagen zu treffen. Ich will, dass wir als Regierung dann klare und mutige Öffnungsschritte für den Sommer festlegen", sagte Scholz. Damit sollten sich Restaurants auf ihre Öffnung einstellen und die Bürger ihren Sommer planen können. Ebenfalls solle der Zeitpunkt festgelegt werden, ab wann wieder Konzerte, Theater und Fußball im Stadion möglich seien.
kle/wa (dpa, kna, afp)