Für Steueroasen wird es ungemütlich
13. April 2013Der Druck auf so genannte Steueroasen, die in der Karibik, aber auch in Europa liegen, nimmt zu. Sechs große Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, nämlich Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Spanien und Deutschland, haben beim Finanzministertreffen in Dublin eine neue Initiative gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung vorgestellt. Die sechs Länder wollen künftig untereinander alle relevanten Daten über Kapitalgewinne automatisch austauschen. Die Finanzämter können so Steuern von Steuerpflichtigen, die in der EU Geld anlegen, künftig leichter eintreiben.
Woher kommt der plötzliche Schwung? Von jenseits des Atlantiks, aus den USA. Diese Antwort gab der britische Finanzminister, Schatzkanzler George Osborne, auf entsprechende Fragen in Dublin: "Es entsteht tatsächlich ein neuer internationaler Standard. Wir nehmen das jetzt auf und nutzen das als eine Basis für ein europäisches System. Wir nehmen eine ursprüngliche bilaterale Vereinbarung mit den USA als Modell für Europa und darüber hinaus." Osborne bezog sich auf "FATCA", ein us-amerikanisches Gesetz aus dem Jahr 2010, das von immer mehr Staaten in der Welt, darunter auch Deutschland und neuerdings Luxemburg, in bilateralen Verträgen mit den USA angewendet wird. FATCA heißt kurz gefasst: Wer den USA nicht die relevanten Daten von möglichen amerikanischen Steuersündern meldet, der ist raus aus dem Geschäft, der darf in den USA keine Geschäfte mehr tätigen. Und da die USA nun einmal der wichtigste Finanzplatz sind, haben die meisten Staaten und deren Banken keine Wahl: Sie müssen FATCA akzeptieren.
Österreich wehrt sich noch
Selbst die für ihre verschwiegenen Banken berühmte Schweiz hat FATCA in einem Abkommen mit den USA übernommen, allerdings gibt es Protest. Die "Neue Zürcher Zeitung" spricht von einem "Steuerdiktat" der Großmacht USA. Die großen EU-Staaten wollen den automatischen Datenaustausch nun also zum Standard für Europa machen. Die Letzte, die sich dagegen offensiv wehrt, ist die österreichische Finanzministerin Maria Fekter von der konservativen Partei ÖVP. Sie sprach in Dublin von "einem Angriff auf das Bankgeheimnis", das in Österreich Verfassungsrang hat. Der vorgeschlagene Datenaustausch führe "zu einem Datenfriedhof". "Es ist besser an der Quelle zu besteuern", so Fekter. Österreich erhebt - allerdings anonym- eine Quellensteuer auf Zinseinkünfte.
Auch der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden kritisierte das Vorgehen der großen Sechs. "Die kleinen EU-Staaten sollen offenbar hinterher laufen", grummelte Frieden. Allerdings haben sich bereits am Samstag drei weitere mittelgroße EU-Mitgliedsstaaten (Niederlande, Belgien, Rumänien) der Initiative der großen Staaten angeschlossen. Übrigens wird sich wohl auch Österreich dem Druck aus den USA beugen und Verhandlungen über ein Abkommen zur Umsetzung von FATCA beugen. Allerdings möchte Österreich, wie die Schweiz zuvor, ein Abkommen erreichen, das nicht sofort zum automatischen Datenabgleich zwingt und das Bankgeheimnis halbwegs wahren könnte.
Briten machen Druck auf Cayman-Inseln
Der britische Finanzminister George Osborne kündigte in Dublin an, dass von der neuen Offenheit auch Steueroasen im britischen Einflussbereich betroffen sein werden. "Mit den Gebieten, die direkt der britischen Krone unterstehen, den Kanalinseln, der Ilse of Man, haben wir in den letzten Wochen einen automatischen Datenabgleich eingerichtet. Mit den Überseegebieten, wie den Cayman Islands und den Jungferninseln, sind wir in sehr weitreichenden Diskussionen. Die wissen aber sehr genau, was wir von ihnen erwarten." Menschen, die Steuern hinterziehen wollten, sollten wissen, dass die Plätze, wo das möglich ist, immer weniger werden, fügte Osborne hinzu.
Kreative Steuervermeidung soll zurückgedrängt werden
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble machte deutlich, dass sich die Initiative der sechs EU-Staaten nicht auf Steuerhinterziehung bei Zinserträgen beschränkt, sondern alle Formen von Kapitalerträgen auch bei Unternehmen erfasst. Künftig sollen auch alle Modelle zur kreativen Steuervermeidung, die auch in vielen EU-Mitgliedsstaaten wie Luxemburg oder Irland durchaus legal ist, genauer unter die Lupe genommen werden. "Wir werden in der kommenden Woche bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds in Washington unsere Bemühungen auf der globalen Ebene fortsetzen, sowohl Steuerhinterziehung durch Informationsaustausch, als auch Steuervermeidung durch Ausnutzung von unterschiedlichen Steuersystemen bis hin zu Steueroasen zu begegnen. Ich glaube, dass auch da eine globale Bewegung entstanden ist und es gibt auch da eine Unterstützung aller Europäer", sagte Schäuble. Einige Staaten in Europa dürften allerdings Probleme mit dieser Aussage haben. In Luxemburg lassen sich große US-Konzerne nieder, weil sie durch geringere Steuerbelastung im Großherzogtum Vorteile haben. Beispiel: Der Internet-Versandhändler Amazon.
"Neuer Hunger" nach schärferen Regeln
Bislang machen sich die EU-Staaten mit solchen legalen Steuervermeidungs-Modellen untereinander Konkurrenz. Niedrig besteuerte Tochterunternehmen, so genannte "Briefkasten-Firmen", wie sie zum Beispiel auf Zypern möglich waren, sollen weniger attraktiv werden, kündigte der polnische Finanzminister Jacek Rostowski an. Polen bemühe sich seit vielen Jahren erfolgreich, große internationale Firmen ins Land zu holen, so Rostowski. Diese sollten ihre Gewinne, die sie in Polen erzielen, dann möglichst auch in Polen versteuern. "Als ein Gastgeber-Land müssen wir uns immer um eine Verkleinerung der Steuerbasis, der Bemessungsgrundlage, sorgen. Der Kampf gegen Steuervermeidung kann immer nur in Kooperation mit anderen Staaten gelingen."
Zunächst will der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta dafür sorgen, dass eine seit 2008 verhandelte Richtlinie zur Zinsbesteuerung in der EU endlich von den Mitgliedsstaaten angenommen wird. Das könnte nun bereits in einigen Wochen geschehen, sagte Semeta. Allerdings ist in Steuerfragen ein einstimmiges Votum aller Mitgliedsstaaten notwendig. "Mich freut der neue Hunger der Mitgliedsstaaten nach Aktionen in Steuerfragen", sagte der EU-Kommissar in Dublin, etwas überrascht von der Initiative der sechs Großen. Für die Gestaltung der Steuersysteme und die Steuersätze bleiben aber nach wie vor die Mitgliedsstaaten allein verantwortlich.