Politik und Wahlkampf in Hollywood
22. September 2017"Halten Sie mich für einen Heuchler? Das sollten Sie! Der Weg zur Macht ist mit Scheinheiligkeit und Opfern gepflastert. Bereuen Sie nichts!" Man kann Frank Underwood alias Kevin Spacey ja nun wirklich nicht vorwerfen, er spreche in der Serie "House of Cards" keinen Klartext.
Auch wenn nicht alles ganz so neu war in "House of Cards", wie manche Experten in den Jahren seit der Erstausstrahlung der US-Serie 2013 behaupteten, zumindest der Grad an Zynismus und die schonungslose Darstellung von purem Machtstreben war selten in dieser Deutlichkeit von amerikanischen Film- und Fernsehmachern vorexerziert worden. Hollywood und die großen US-Fernsehsender beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Politik und Wahlkampf. Nur eben nicht ganz so drastisch in der Darstellung von Politikern und deren Agieren.
"House of Cards" wurde vielfach ausgezeichnet
Es ist viel geschrieben worden über "House of Cards", auch in Deutschland. Dabei wurde die Serie um den Aufstieg von Frank und Claire Underwood zunächst überwiegend gelobt. Vor allem im Vergleich mit ähnlich gearteten Serien und Filmen aus Deutschland schnitt "House of Cards" meist gut ab. In jüngster Zeit mischen sich aber durchaus auch kritische Stimmen in die überwiegend positiven Besprechungen.
So merkte eine große deutsche Tageszeitung ("Die Welt") vor kurzem in einer Feuilleton-Serie unter dem Obertitel "Denkmalsturz" an: "'House of Cards' sieht aus, als hätte es Leni Riefenstahl gedreht. Ganz Washington scheint ein von unten beleuchteter Nazi-Bau, und wenn Robin Wright als Claire Underwood das starke Kinn in die Kamera reckt, könnte man glatt glauben, dass sie schon 1936 im Berliner Olympiastadion zum Speerwurf angetreten ist." Offenbar gebe es in "House of Cards" noch Herrenmenschen. Das war starker Tobak, aber auch ein Zeichen dafür, dass die US-Serie nicht nur positive Reaktionen auslöst.
Die Serie ist handwerklich gut gemacht und hat Fans in aller Welt
Und der Vergleich mit deutschen Serien? "Halten Sie 'Derrick' daneben, die flimmernde Nemesis der Bonner Republik - vom Budget abgesehen, sind die Unterschiede lässlich", spottete der Rezensent "Der Welt". Darüber kann man natürlich streiten. "House of Cards" hat weltweit viele Fans. Sicher nicht ganz zu Unrecht. Die Darsteller sind glänzend, die meisten Spannungsbögen gut gesetzt, die Aufsplitterung von Politik in viele Facetten ist überzeugend dargestellt. Und dass die Produzenten der Serie die Politiker in ein glorifizierendes Licht setzen würden, kann nun wahrlich niemand ernsthaft behaupten.
Hollywood (und später auch das US-Fernsehen) haben schon vor vielen Jahren ihre Kameras auf das Geschehen in der Politik gerichtet. Anfangs mit meist heroischem Impetus und stark emotionalem Charakter mit Darstellern wie James Stewart und Henry Fonda. Später, in den 1960er Jahren, auch zunehmend kritisch, als das New-Hollywood-Kino die Wirklichkeit gleichberechtigt neben das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums stellte. "House of Cards" ist so nur eine zugespitzte Fortsetzung dieses Genres.
"House of Cards" hat Konkurrenz bekommen - in der Wirklichkeit
Spätestens mit der fünften Staffel hat "House of Cards" jedoch ein gewichtiges Problem, eines, mit dem 2013 bei Serienstart niemand ernsthaft rechnen konnte: Donald Trump. Die Wirklichkeit hat die Fiktion eingeholt und droht sie zu überholen. Als die fünfte Staffel von "House of Cards" im Mai 2017 über die Bildschirme flimmerte, war Trump ein halbes Jahr im Amt. Im Vergleich zu dem, was der 45. Präsident der Vereinigten Staaten in diesen sechs Monaten (und zuvor schon im Wahlkampf) geboten hatte, wirkte vieles in der Filmfiktion plötzlich gar nicht mehr so aufregend.
Wer also inzwischen den größeren Unterhaltungswert hat, die täglichen Auftritte und Twitter-Botschaften von Trump oder das serielle Auftreten der Underwoods, das muss jeder für sich selbst entscheiden.