"Gräben zwischen den Kulturen"
6. April 2006DW-WORLD: In Europa gibt es Stimmen, die meinen, dass Konferenzen dieser Art die Integration junger Menschen arabischer Herkunft in europäische Gesellschaften eher behindern würden. Stimmt das?
Prinz Hasan: Nein, im Gegenteil. Als Hans Küng das Weltethos formulierte, stand die Kultur der Partizipation im Mittelpunkt. Und tatsächlich kommt die Bedeutung der Partizipation der Jugend auf vielen Ebenen zur Geltung: Jugendliche arabischer Herkunft trugen zur Beendigung der Welle der Gewalt in Frankreich bei; aber auch in Deutschland gibt es viele Jugendinitiativen, die sich dafür einsetzen, eine bessere Integration der hier lebenden Araber zu ermöglichen. Dabei ist es wichtig, dass man ihre kulturelle Identität respektiert – fernab jeglicher Engstirnigkeit.
Was erwarten Sie von den in Europa lebenden jungen Arabern, damit diese ihre Integrationschancen in den europäischen Gesellschaften verbessern?
Die arabischen Jugendlichen tragen zum wirtschaftlichen Wohlstand in Europa bei. Diese Tatsache sollte man in Europa würdigen und sich davor hüten, die Araber reflexhaft und pauschal mit Terroristen und Ewiggestrigen in Verbindung zu bringen. Sowohl im Orient als auch im Okzident sollte man es vermeiden, in die Falle eines angeblichen "Kulturkampfes" zu geraten. Denn es handelt sich beim momentanen Konflikt nicht um einen Kampf zwischen den Kulturen, sondern lediglich um einen Wettbewerb der Ideen und Identitäten, für die adäquate Foren und Rahmenbedingungen geschaffen werden sollten.
Wie haben Sie den Karikaturenstreit mit seinen Folgen verfolgt?
Ich vertrat die Ansicht, dass die Pressefreiheit Verantwortungsbewusstsein einschließt, und Verantwortung für unser Handeln muss unser gemeinsamer Nenner bleiben. Wenn Missverständnisse solcher Art auftreten, ist es angebracht, sich die Tatsache zu vergegenwärtigen, dass die große Mehrheit der Muslime Andersdenkende respektiert. Da die schlechten Nachrichten sich schneller verbreiten, bleibt das Problem des Populismus allerdings bestehen.
Nicht wenige behaupten, der Dialog zwischen der arabischen Welt und Europa stecke in einer Sackgasse. Stimmen Sie diesen Stimmen zu?
Der gegenwärtige Dialog, der darauf beruht, dass die arabische Welt wirtschaftliche Forderungen an den Westen stellt und der Westen umgekehrt von der arabischen Welt eine kulturelle Anpassung an die Moderne in Form von Zugeständnissen verlangt, vertieft die Gräben zwischen den beiden Kulturen, insbesondere zwischen Arm und Reich. Was wir brauchen, ist ein Dialog, in dem der Terrorismus abgelehnt wird und der zugleich das menschliche Leben kompromisslos respektiert und schützt. Hier darf ich daran erinnern, dass die meisten Opfer des Terrorismus Muslime sind. Wir benötigen neue Grundlagen für einen neuen Dialog und vor allem neue, überkonfessionelle und überregionale Kooperationsformen wie die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Anm. d. Red.).
Welche Hoffung setzen Sie auf Deutschlands Rolle im europäisch-islamischen Dialog?
Die deutsche Orientalistik hat Großartiges zur Entwicklung eines besseren Verständnisses für die Belange der arabischen Welt geleistet, denn sie orientierte sich an der Realität und hatte keine Eroberungsabsichten wie Teile der modernen Orientalistik. Diese Haltung könnte als Basis für Deutschlands Rolle im europäisch-islamischen Dialog dienen.
Prinz El Hassan bin Talal von Jordanien engagiert sich seit Jahren in zahlreichen humanitären und interkonfessionellen Projekten, wobei für ihn die menschliche Dimension der Konflikte im Mittelpunkt steht. Gegenwärtig ist er Vorsitzender des Arab Thought Forum, Präsident des Club of Rome, Sprecher der World Conference on Religion and Peace, Vorsitzender der Policy Advisory Commission for the World Intellectual Property Organisation, Gründungsmitglied und Vizevorsitzender der Foundation of Interreligious and Intercultural Research and Dialogue (mit Sitz in Genf) und Mitglied des Board of Trustees of the International Crisis Group.
Das Gespräch führte Ibrahim Mohammed, zurzeit Amman