Grüne: Merkel ist keine Klimakanzlerin
22. Juni 2017"Nix sehen, hören, tun", steht auf dem Plakat. Davor ist die Kanzlerin gleich dreimal auf Pappe zu sehen: Mit den Händen vor den Augen, über den Ohren. Und mit dem Kopf flach auf die Hände gestützt. Soll heißen: Angela Merkel (CDU) muss mehr machen im Klimaschutz. Die Grünen haben das Plakat und die Papp-Merkel vor dem Reichstagsgebäude aufgebaut. Daneben steht der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter und lässt kaum ein gutes Haar an Angela Merkel: "Das Problem der Kanzlerin ist, dass sie auf Klimakonferenzen schöne Worte verliert, aber zuhause nichts zustande bringt. Am Ende zählen die Zahlen. Und das ist auch relevant für das Ansehen Deutschlands", sagt Hofreiter der Deutschen Welle. "Wenn Deutschland 2016 die gleiche Menge an Treibhausgasen ausstößt wie 2009, dann helfen halt alle schönen Worte nicht."
Emissionen zuletzt gestiegen
Tatsächlich ist etwa im letzten Jahr der Ausstoß von Klimagasen in Deutschland sogar leicht gestiegen. Das Regierungsziel, bis 2020 40 Prozent an Treibhausgasen einzusparen, wird wohl kaum zu schaffen sein. Zwei Bereiche sind dafür vor allem verantwortlich: Der Autoverkehr und die Kohle. Rund 150 Stein-oder Braunkohle-Kraftwerke sind noch in Betrieb. Sie sorgten im vergangenen Jahr für 40 Prozent des Stroms. "Wir müssen die ältesten Kohlekraftwerke abschalten - so schnell wie möglich. Denn sie sind sehr ineffizient und müssen eh abgeschaltet werden. Deshalb ist es notwendig, das schnell zu machen", sagt die grüne Klima-Expertin Bärbel Höhn der DW. Und der Auto-Verkehr ist der einzige Sektor in Deutschland, der insgesamt in den vergangenen 25 Jahren nichts zum Klimaschutz beigetragen hat. Nach Ansicht der Grünen auch deshalb, weil Merkel sich in Brüssel mit Rücksicht auf die PS-starke deutsche Industrie gegen härtere Grenzwerte ausgesprochen hat. "Das war das Zeichen an die Auto-Industrie: Ihr könnt weitermachen wie bisher. Und das war genau die Zeit, in der begonnen wurde, zu schummeln und zu tricksen. Das war verheerend", sagt die grüne Klima-Expertin Bärbel Höhn mit Blick auf den VW-Abgasskandal, der längst einer fast aller Automarken ist.
Bundestag gegen Klimaskeptiker
Später an diesem Donnerstag diskutiert der Bundestag fast anderthalb Stunden über die deutsche Klimaschutzpolitik. Dabei wird deutlich: Niemand spricht sich dagegen aus, dass die Klimapolitik wichtig ist. Nachdem US-Präsident Donald Trump dem Pariser Klimavertrag den Rücken gekehrt hatte, hatten noch rund 10 CDU-Politikern, darunter auch einige Bundestagsmitglieder, gefordert, auch Deutschland müsse die Zügel lockern. Die so genannte Berliner Erklärung zweifelte auch die Erkenntnisse der Klimawissenschaftler an. "Das ist eine Erklärung von ganz wenigen Abgeordneten. Und ich möchte mich davon ganz klar distanzieren", sagt die CSU-Politikerin Anja Weisgerber unter großen Applaus.
Im Gegensatz zu den Grünen hält sie die Politik der Regierung aber immer noch international für vorbildlich: "Der Klimaschutz wird gelingen, weil Staaten wie Deutschland voranschreiten. Wir machen die 'German Energiewende'. Alle Staaten schauen gespannt, wie wir das bewältigen." Tatsächlich steigt Deutschland bis 2022 aus der Atomkraft aus und baut fleißig an der Infrastruktur für die erneuerbaren Energien, nach Ansicht der Opposition nur nicht schnell genug. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) geht in ihrer Rede darauf ein: "Natürlich: Es geht immer noch mehr. Das sage ich auch mit Blick auf das 2020-Ziel. Aber auch diesem Ziel sind wir ein großes Stück näher gekommen."
Tatsache ist aber auch: Hendricks wollte ursprünglich festklopfen, dass Deutschland bis 2030 aus der Kohle ausstiegt, was von Kanzleramt und Wirtschaftsministerium verhindert wurde.