Guinea: Große Sorgen vor der Wahl
9. Oktober 2015Je näher die Präsidentenwahl am Sonntag rückt, desto nervöser werden die Menschen in Guinea. Viele haben Angst, dass es zu Unruhen kommt, wie sie das Land nach der Wahl 2010 erschüttert haben.
Sechs Millionen Wahlberechtigte und acht Kandidaten, das sind die Eckdaten der Wahl im westafrikanischen Guinea am kommenden Sonntag. Die wichtigsten Herausforderer für Amtsinhaber Alpha Condé sind Cellou Dalein Diallo, Chef der Opposition, und Sydia Touré, ein früherer Premierminister.
Guinea hat viele Jahre gewaltsamer, autoritärer Herrschaft hinter sich: Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1958 regierte Sékou Touré mit eiserner Hand, sein Nachfolger Lansana Conté führte zwar das Mehrparteiensystem ein, ließ aber wenig Kritik gelten. Nach dessen Tod im Jahr 2008 erklärte sich der Hauptmann Moussa Dadis Camara zum Präsidenten; er wird verantwortlich gemacht für ein Massaker, bei dem 2009 mehr als 150 Oppositionsanhänger umkamen. Camara floh nach einem Attentat ins Ausland. 2010 wurde dann erstmals ein Präsident demokratisch gewählt.
Dass der langjährige Oppositionspolitiker Alpha Condé aus der Wahl als Sieger hervorging, sah vor allem die internationale Gemeinschaft mit Wohlwollen. Allerdings gab es nach der Verkündigung der Ergebnisse Demonstrationen mit hunderten Toten und Verletzten. Condé hat gute Chancen, erneut Präsident zu werden, wenn auch erst in einer Stichwahl. Dann muss allerdings erneut mit Gewalt gerechnet werden. Cellou Dalein Diallo hat bereits angedroht, die Ergebnisse nicht zu akzeptieren.
Skepsis an der demokratischen Rechtmäßigkeit
Dass der Opposition weniger Chancen zugerechnet werden, liegt auch daran, dass ihre Position unklar ist und geprägt von Unstimmigkeiten zwischen den Kandidaten: Bald drohen sie mit dem Boykott, bald fordern sie eine Wahlverschiebung.
Nun aber gab die Opposition bekannt, dass sie auch ohne Verschiebung die Wahl nicht boykottieren werde - selbst wenn der Wahlprozess schwere Fehler und Unregelmäßigkeiten aufweise. "Weder 2010 noch 2013 (bei der Parlamentswahl) war die Opposition von den Wahlergebnissen überzeugt", erläutert Vincent Foucher, Guinea-Experte bei der International Crisis Group. "Und wenn man die damaligen Berichte der Wahlbeobachter von Europäischer und Afrikanischer Union liest, stellt man sich in der Tat viele Fragen über die Rechtmäßigkeit der Wahl."
Auch so mancher Wähler ist davon überzeugt, dass es zu Unregelmäßigkeiten kommen wird: "Die Betrugsmaschinerie der Regierung ist schon wieder in vollem Gange", so ein Mann in Labé, der Hochburg des Oppositionschefs."Sie haben genug Geld zur Seite gelegt, um die Leute zu bestechen und Wahlscheine zu verteilen, die bereits ein Kreuz haben bei der Regierungspartei."
Theater und Blogs gegen Gewalt
Die Antwort der Unzufriedenen war in Guinea in der Vergangenheit oft Gewalt. Auch im Vorfeld der diesjährigen Wahl gab es nach Augenzeugenberichten bereits zwei Tote und viele Verletzte bei Zusammenstößen zwischen Anhängern des Amtsinhabers Alpha Condé und denen seiner Herausforderer.
Dieses Muster der Gewalt wollen einige guineische Comedians durchbrechen: Sie haben ein Theaterstück entwickelt, das die Bevölkerung sensibilisieren soll. Balia Bah, Autor und Regisseur, erläutert die Idee: "Die Wahlen stehen vor der Tür, und es gibt schon wieder Spannungen. Es ist daher wichtig, den Leuten auf der Bühne eine Art Spiegel vorzuhalten. So können sie darüber nachdenken und das Schlimmste vermeiden." Auch an Kinder und Jugendliche wendet sich ihr Stück. Gerade junge Leute würden leicht zum Spielball der Politik.
Auch die Initiative einiger junger Blogger setzt auf Prävention: Über die Internet-Plattform guineevote.com sollen Bürger Unregelmäßigkeiten, aber auch Gewaltausbrüche melden können. Foudé Kouyaté, einer der Initiatoren des Projektes, berichtet, dass die Initiative 215 Wahlbeobachter ins Feld schicken will - über das ganze Land verteilt. "Denn wenn der Prozess nicht transparent ist, wird es Anfechtungen geben - und die wiederum können zu Gewalt führen."
Condé: Plus bei der Wirtschaft, Minus in der Gesellschaft
Die politische und ökonomische Bilanz von Präsident Alpha Condé fällt gemischt aus: In seine Amtszeit fallen die Ebola-Krise und der Einbruch der Weltmarkt-Preise für Rohstoffe. Während sich viele Guineer einig sind, dass sich Condé zumindest um Wirtschaftsreformen und eine Reform des Rohstoffsektors bemüht hat, werfen ihm Kritiker vor, Menschen aus der eigenen Ethnie zu bevorzugen und so die existierenden ethnischen Spannungen zu verstärken.
„Das Problem der Ethnien und der Bevorzugung bestimmter Regionen hat sich tief in unsere Gesellschaft verwurzelt und lässt die Gräben immer größer werden“, sagt etwa der Soziologe Mamadou Sylla. Vor allem die Fulbe, die mehr als ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, fühlen sich benachteiligt - denn der Präsident ist Malinké und vertritt damit ein anderes Drittel der Wählerschaft.
Der Ebola-Ausbruch Ende 2013 - den die Regierung lange ignoriert hatte und der mindestens 2500 Menschen allein in Guinea tötete - traf die Wirtschaft des Landes hart. Einige Beobachter fürchten gar, dass Staatsbeamte nicht mehr bezahlt werden können. Schon jetzt zählt Guinea zu den ärmsten Ländern weltweit. Der UN-Wohlstandsindikator "Human Development Index" führt das Land auf Platz 179 von insgesamt 187 Ländern. Dabei verfügt Guinea über die weltweit größten Reserven an Bauxit - ein Erz, das in der Automobilindustrie gebraucht wird.
Eines der Vorzeige-Projekte Condés ist der neue Mega-Staudamm von Kaleta: ein riesiges Wasserkraftwerk, mit dem die ständige Stromknappheit ein Ende haben soll. Der Damm wurde gerade noch rechtzeitig vor der Wahl offiziell eröffnet und ziert seit Kurzem auch eine Banknote - sehr zum Ärger der Opposition.
Mitarbeit : Bob Barry (Conakry)