Gurlitts Testament ist gültig
22. Dezember 2015Der Rechtsstreit um das umstrittene Testament geht nach monatelangen Gezerre in die Endrunde: Ein zweites, gerichtlich bestelltes Gutachten liegt jetzt vor und setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter den "Fall Gurlitt". Auf 146 Seiten setzt sich die juristische Begutachtung der Sachverständigen damit auseinander, ob Cornelius Gurlitt zu dem Zeitpunkt, als er sein Testament verfasste, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war und kommt zu dem Schluss: Gurlitt war voll "testierfähig". Das gab das Oberlandesgericht München (OLG) am Dienstag (22.12.2015) offiziell bekannt.
Bis zum 1. Februar haben nun alle am Verfahren Beteiligten Zeit, sich zum Gutachten zu äußern. Gurlitts Cousine Uta Werner hatte das Testament angefochten und erhebt selbst Anspruch auf das Erbe. Über ihre Anwälte ließ sie dazu erklären: "Nach Prüfung der umfangreichen Krankenhausakten, die das Oberlandesgericht München (OLG) erstmals angefordert hat, bescheinigt das Gutachten Cornelius Gurlitt schwere psychische Erkrankungen." Dem folgt das gerichtlich bestellte Gutachten in seiner Bewertung nicht. Damit geht die Cousine - nach jetzigen Sachstand - leer aus. Das Erbe, die umfangreiche Kunstsammlung Gurlitts, geht an das Kunstmuseum Bern.
Entscheidung im Verfahren Gurlitt fällt am 1. Februar 2016
Falls das Testament nicht anerkannt worden wäre, hätte das weitreichende Folgen gehabt: Für die Bundesrepublik Deutschland wäre im Ausland großer kulturpolitischer Schaden entstanden. Die wertvollen Kunstwerke hätten unter Umständen weder für die Herkunftsforschung noch für Ausstellungen zur Verfügung gestanden. Doch dieses Szenario ist jetzt abgewendet. Das hat das Schweizer Kunstmuseum Bern der Bundesregierung zugesichert. Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde von Kulturstaatsministerin Monika Grütter unterzeichnet.
Forderung nach Transparenz
Der Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrandt Gurlitt hatte die umfangreiche Kunstsammlung seines Vaters, zu der Werke der Klassischen Moderne von Matisse bis Liebermannn sowie kostbare Alte Meister und Grafiken gehören, in seiner Münchner Privatwohnung jahrzehntelang gehortet. Im Zuge einer Steuerfahndung waren die deutschen Zollbehörden 2012 durch Zufall auf die eingelagerten Kunstwerke gestoßen.
Der spektakuläre "Schwabinger Kunstfund" erregte 2013 weltweit großes Aufsehen, da zahlreiche Kunstwerke im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein. Aus dem Ausland und von jüdischer Seite waren die langsame Ermittlungsarbeit der deutschen Behörden und eine mangelnde Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit kritisiert worden. Die Staatsanwaltschaft hatte 1280 Kunstwerke bei Gurlitt beschlagnahmt. Anfangs war eine Kommission aus Kunsthistorikern und Provenienzforschern mit der Überprüfung der Herkunft der Bilder beauftragt worden.
Raubkunstverdacht in nur wenigen Fällen geklärt
In einer zweiten Wohnung Gurlitts in Salzburg stellte die Staatsanwaltschaft weitere 238 Gemälde und Zeichnungen sicher. Bei dem Großteil der Gemälde besteht ebenfalls dringender Verdacht auf NS-Raubkunst. Viele kostbare Gemälde waren während der Nazi-Okkupation Frankreichs in die umfangreiche Kunstsammlung von Hitlers Kunsthändler Hildebrandt Gurlitt – Cornelius Gurlitts Vater - gelangt. Er war damals beauftragt, Kunst für das geplante Führermuseum in Linz zusammenzutragen.
Der Gesamtwert der beschlagnahmten Kunstsammlung ist umstritten, von einem Milliardenfund war nach ersten fachlichen Untersuchungen nicht mehr die Rede. Cornelius Gurlitt war am 6. Mai 2014 gestorben, ohne genauere Hinweise zur Herkunft der Kunstwerke zu geben.
Bislang konnte allerdings nur in fünf Fällen zweifelsfrei geklärt werden, dass es sich bei Gemälden aus der Sammlung Gurlitt um NS-Raubkunst handelt. Dabei handelt es sich um Gemälde von Max Liebermann ("Zwei Reiter am Strand"), Henri Matisse ("Sitzende Frau"), Camille Pissaro ("La Seine vue du Pont-Neuf, au fond le Louvre") und zwei Zeichnungen von Carl Spitzweg ("Das Klavierspiel") und Adolph von Menzel ("Inneres einer Gotischen Kirche"). Die Zeichnung von Menzel hatte Hildebrandt Gurlitt 1938 weit unter Wert den Erben des Hamburger Kunstsammlers Albert Martin Wolffson abgekauft.
Die Taskforce "Schwabinger Kunstfund", die von der Bundesregierung 2014 unter Vorsitz von Ingeborg Berggreen-Merkel eingerichtet wurde, wird Ende des Jahres ihren Abschlussbericht veröffentlichen. Es gab bereits im Vorfeld starke Kritik an dem mageren Ergebnis der Experten. Die Taskforce habe die Aufklärung nicht genügend vorangetrieben und die Rückgabe nicht zügig erledigt, kritisierte Rüdiger Mahlo, von der deutschen Opfervertretung Jewish Claims Conference, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Bislang konnten auch nur wenige Bilder den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben werden, da viele der jüdischen Eigentümer und ihre Familien den Holocaust nicht überlebt hatten. Auf alle Kunstwerke wurde aber ein Erbanspruch erhoben.
Ausstellung mit Kunst der Sammlung Gurlitt geplant
Kulturstaatsministerin Monika Grütters ließ über einen Sprecher des Ministeriums mitteilen, sie sei erleichtert, wenn das juristische Verfahren bald abgeschlossen werden könnte. "Wenn das Sachverständigen-Gutachten die Testierfähigkeit von Herrn Gurlitt für sein Erbe bestätigt, wäre das vor allem für die Opfer des Nazi-Kunstraubs eine große Erleichterung", so der Wortlaut der offiziellen Pressemitteilung von Grütters.
Für das kommende Jahr ist eine Ausstellung mit den Kunstwerken aus dem spektakulären Kunstfund in der Bundeskunsthalle in Bonn geplant.