Hoffnungsvolle Stimmung in Brüssel
16. März 2017Die Sonne scheint auf den Place Jourdan, auf dem sich an diesem Nachmittag einheimische Brüsseler ebenso wie Touristen und Mitarbeiter der EU-Institutionen tummeln. Viele haben am Vorabend den Ausgang der niederländischen Wahl verfolgt. Einer von ihnen ist Joel aus Finnland. Er freut sich über das Ergebnis: "Es gab keinen Dominoeffekt, wie ihn viele nach der Wahl von Donald Trump erwartet hätten", sagt er. Dass Ministerpräsident Mark Rutte und nicht der Rechtspopulist Geert Wilders die Wahl für sich entscheiden konnte, sei "ein Sieg für die Demokratie".
Das sieht auch Magdalena so. Die polnische Journalistin ist zum Mittagessen auf den Place Jourdan gekommen. "Ich bin sehr stolz auf die Leute, die dazu beigetragen haben, dass Europa und unsere demokratischen Werte gewinnen", erklärt sie.
"Ich stimme Geert Wilders zu"
Wenige Meter weiter liest ein älterer belgischer Herr in einem Café Zeitung. Seinen Namen will er nicht nennen, macht dafür aber auf seine Lektüre aufmerksam: "Le Figaro". Die französische Tageszeitung gilt als wirtschaftsliberal und gesellschaftlich konservativ. "Ich stimme Geert Wilders zu", bekennt der Belgier. "Aber er ist nicht in der Lage zu regieren." Der Mann wird an diesem Tag der einzige bleiben, der sich als Fan des Rechtspopulisten outet.
Dafür geben einige zu, sich nicht über den Ausgang der niederländischen Wahl informiert zu haben. "Ich habe absolut keine Ahnung, was gestern für eine Wahl war", sagt eine dänische Schülerin. Ein junges spanisches Paar ist ebenfalls überrascht, dass gestern in einem EU-Land gewählt wurde.
Anders sieht es bei den französischen Passanten aus. Wenige Wochen, bevor auch in Frankreich eine richtungsweisende Abstimmung ansteht, sind viele erleichtert. Denn mit Marine Le Pens "Front National" wirbt dort ebenfalls eine rechtspopulistische Partei um Wählerstimmen. "Es ist eine Tragödie", kommentiert eine Dame die Situation in ihrem Heimatland Frankreich. Immerhin sei es ein gutes Zeichen, das nun aus den Niederlanden komme.
Die Niederländer könnten ein Vorbild für die Franzosen sein, meint auch Thomas, ein junger Mann aus Frankreich. "Das gibt Hoffnung."
Viele verrückte Dinge
Die Chinesin Sutong und die Kolumbianerin Ana sind für ein Studienprojekt nach Brüssel gekommen. Für europäische Wahlen interessierten sie sich nicht so sehr, geben sie zu. Aber sie seien froh, dass der europäische Rechtspopulismus einen Dämpfer erhalten habe. "Seit dem Brexit und der Wahl Donald Trumps habe ich den Eindruck, als würden einzelne Länder nach außen völlig dichtmachen. Die Leute sind besorgt und wissen nicht, in welche Richtung sich die Welt entwickelt", meint die 27-jährige Sutong. "In letzter Zeit sind so viele Dinge passiert, von denen die Leute dachten, dass sie niemals passieren würden." Was, wenn noch mehr verrückte Dinge geschähen, fragt sie. In China fragten sich einige zum Beispiel, ob es die EU noch lange geben werde.
Christoph ist froh, dass es die EU gibt. Der 25-Jährige arbeitet für einen belgischen Abgeordneten im Europäischen Parlament. Das Brexit-Referendum in Großbritannien und die Präsidentschaftswahl in den USA seien unterschätzt worden, meint er. Nun hätten Politiker Angst, den gleichen Fehler noch einmal zu machen. "Sie denken, dass die Leute wütend seien. Einige sind das auch, aber sie sind nicht in der Mehrheit." Dass so viele Parteien mit klar proeuropäischer Botschaft, darunter auch linke und liberale, Wähler dazu gewonnen haben, gebe ihm Hoffnung.
Tatsächlich sind die eigentlichen Gewinner dieser Wahl weder die "Partei für die Freiheit" (PVV) von Geert Wilders noch die liberale Partei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte. Während Ruttes Partei im Vergleich zur vorherigen Wahl 2012 sogar an Zustimmung verloren hat, konnte die PVV zwar drei Prozent zulegen. Dennoch: Überraschend ist vor allem der Zugewinn von über sechs Prozentpunkten für die Partei "Groenlinks" von Jesse Klaver. Auch die linksliberale Partei D66 konnte sich über vier Prozentpunkte mehr freuen.
Wegen Brexit und Trump?
Christoph erklärt sich das so: In vorherigen Wahlen sei es nur um die Dinge gegangen, die falsch liefen. "Aber in den Niederlanden gab es konkrete Projekte für die Zukunft, die Bürger mit ihrer Stimme unterstützen konnten", meint der Flame. "Das haben sie mit überwältigender Mehrheit getan."
Mit 77 Prozent war die Wahlbeteiligung in den Niederlanden vergleichsweise hoch. Darunter waren auch viele junge Menschen - eine Tatsache, die am Wahlabend viele Politiker als besonders positiv herausstellten. "Die Menschen konnten sich seit langer Zeit mal wieder für etwas begeistern", denkt Christoph. "Vielleicht ist es wegen des Brexits und Trump." Da hätten die Menschen gesehen, was passieren kann, wenn sie nicht wählen gehen. Am Ende hätten viele mit einem Ergebnis leben müssen, das sie so nicht gewollt hätten. Das sei dieses Mal anders gewesen. Der junge Belgier resümiert: "Die Niederlande haben gesprochen - und sie haben es gut gemacht."