Göring-Eckardt: Union ist "null vorbereitet"
30. September 2021Grünen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erkennt wenig Chancen für eine Koalition ihrer Partei mit der Union. "Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Was wir brauchen, ist eine zuverlässige Regierung."
Zwar sei sie immer der Meinung, dass man unter den demokratischen Parteien keine Option ausschließen sollte. "Aber beim Blick auf den Zustand der CDU sehe ich aktuell nicht, wie eine Koalition mit CDU und CSU gehen soll." Das gelte unabhängig davon, wer auf Seiten der Union die Verhandlungen führt. "Jetzt bringt sich ja Herr Söder ins Spiel oder wird ins Spiel gebracht. Aber es geht ja nicht darum, welcher Kopf vorne steht", sagte Göring-Eckardt. "Der ganze Laden ist offensichtlich null vorbereitet auf die Zeit nach Merkel - und auch nicht auf die drängenden Aufgaben in unserem Land."
Pralle Terminkalender
Die FDP schreckt das offensichtlich nicht ab: Deren Parteivorsitzender Christian Lindner will sich am Sonntagabend mit den Chefs von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder, treffen. Für Dienstag sind dann bilaterale Gespräche der Konservativen mit den Grünen geplant. Doch zuvor, am Sonntagnachmittag, reden die Liberalen noch mit der SPD, die ihrerseits im Anschluss mit den Grünen konferiert.
Insgesamt sind die Terminkalender derzeit also gut gefüllt. Am Freitag ist überdies eine weitere Begegnung zwischen Grünen und FDP vorgesehen - nach einem ersten Treffen am Dienstagabend, das Lindner und die anderen Teilnehmer, FDP-Generalsekretär Volker Wissing und die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck, publikumswirksam auf Instagram bekanntgegeben hatten.
"Die Menschen wollen Olaf Scholz an der Spitze"
Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag war die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden. Die Union kam auf 24,1 Prozent. Die Grünen erzielten 14,8 Prozent, die FDP 11,5 Prozent. Damit kommt der Umweltpartei und den Liberalen die Rolle des Königsmachers zu: Sowohl die Union als auch die SPD wäre für ein Regierungsbündnis auf sie angewiesen. Eine Koalition mit der rechtspopulistischen AfD, auf die 10,3 Prozent der Stimmen entfielen, hatten alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien ausgeschlossen.
Während CDU-Vizechef Jens Spahn im Deutschlandfunk noch einmal eindringlich für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP warb - "eine bürgerlich-ökologisch-liberale Regierung wäre für unser Land besser als eine Ampel" -, empfahl der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, den Grünen und der FDP, "aufs Volk zu hören, und die wollen Olaf Scholz, den SPD-Kanzlerkandidaten, an der Regierungsspitze".
"Beschämendes Armutszeugnis"
Im ARD-Morgenmagazin versprach Schneider für den Fall eines solchen Ampel-Bündnisses eine "Koalition auf Augenhöhe". Sein Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans schoss derweil noch einen Pfeil in Richtung des Unions-Kanzlerkandidaten ab: "Dass Armin Laschet es bis zum heutigen Tag nicht fertigbringt, die Totalabfuhr der Wähler anzuerkennen, sondern stattdessen verbissen um jeden Millimeter Macht feilscht, ist ein beschämendes Armutszeugnis für ihn und die ihn tragenden Parteien CDU und CSU", sagte der SPD-Chef der "Augsburger Allgemeinen".
Die Partei, die ganz sicher in die Opposition gehen wird, kämpft unterdessen mit heftigen Anlaufschwierigkeiten: Die neue AfD-Bundestagsfraktion verlor möglicherweise schon eines ihrer eigentlich 83 Mitglieder. Die Auftaktsitzung verlief turbulent. Nach längerer Diskussion habe sich der erstmals ins Parlament gewählte Abgeordnete Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen entschieden, der Fraktion nicht angehören zu wollen, sagte der scheidende Fraktionschef Alexander Gauland. Denkbar sei aber, dass er einen Gaststatus mit eingeschränkten Rechten beantrage, hieß es aus Fraktionskreisen.
Gegen Helferich war noch im Wahlkampf eine Ämtersperre verhängt worden. Hintergrund der vom AfD-Bundesvorstand beschlossenen Ordnungsmaßnahme sind Äußerungen in älteren Chats. Darin hatte er sich selbst als "freundliches Gesicht des NS" bezeichnet. Die Abkürzung steht in Deutschland für "Nationalsozialismus". Beide Spitzenkandidaten der AfD, die bisherige Co-Fraktionschefin Alice Weidel und Co-Parteichef Tino Chrupalla, wollen sich an diesem Donnerstag gemeinsam um den Fraktionsvorsitz bewerben.
jj/sti (dpa, afp, rtr)