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PolitikChina

Görlach Global: Auf Chinas Weltkarte schrumpft Deutschland

4. Dezember 2024

Die chinesische Führung sieht in Deutschland nur noch ein Land im Niedergang - entsprechend kühl war der Empfang für Außenministerin Annalena Baerbock. Doch Peking könnte sich verrechnen.

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Baerbock und Wang Yi reichen sich die Hände, im Hintergrund sind die Flaggen Deutschlands und Chinas zu sehen
Bundesaußenministerin Baerbock wird vom chinesischen Staatsrat für Auswärtige Angelegenheiten, Wang Yi, begrüßtBild: Florian Gaertner/AA/photothek/picture alliance

Aus chinesischer Sicht ist Deutschland auf einen unbedeutenden Punkt auf der europäischen Landkarte geschrumpft. Einstmals als Technologiebringer im Land der Mitte gefeiert und für seine Effizienz bewundert, blickt Peking nun auf ein Land im wirtschaftlichen Abschwung, das, wie andere Demokratien in der Lesart Pekings, politisch gelähmt ist - und damit angreifbar für radikale politische Kräfte. In dieser Gemengelage ist es den chinesischen Gastgebern ein Triumph, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock die veränderte Bedeutung Deutschlands für China spüren zu lassen.

Alexander Görlach - Autor der DW-Kolumne "Görlach Global"
Alexander GörlachBild: privat

Unter der Ägide Angela Merkels hatte Peking noch Achtung für die Bundesrepublik. Immerhin war die Kanzlerin sechzehn Jahre im Amt, was in der totalitären Kommunistischen Partei an die drei Jahrzehnte Maos an der Macht erinnern und deshalb Respekt abnötigen mag. Dass ihr Nachfolger Olaf Scholz es noch nicht mal geschafft hat, eine Legislaturperiode zu beenden, ist für Peking geeignetes Propaganda-Mittel, der chinesischen Bevölkerung die vermeintlichen Nachteile einer Demokratie deutlich vor Augen zu führen.

Einmischung verbeten

Entsprechend kühl war die Begegnung Baerbocks mit ihrem chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Er verbat sich, wieder einmal, eine Einmischung in Chinas Unterstützung für den Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine. Nach wie vor im Einklang mit dem Kreml-Sprech, nannte Wang den Krieg nicht Krieg, sondern lediglich eine Krise. Dabei übersieht Wang, zumindest öffentlich, dass die offene chinesische Unterstützung der Steinzeit-Diktatur Nordkoreas (die durch die Entsendung von rund 10.000 Soldaten an die Front in der Ukraine zur Kriegspartei geworden ist) den Geduldsfaden der Europäer überspannen könnte - und sogar direkte Auswirkungen auf die Unterstützung der USA für die Ukraine haben könnte.

Denn die Ankündigung der neuen Trump-Administration, Mittel nicht in die Ukraine, sondern nach Asien fließen zu lassen, um den Partnern und Alliierten dort gegen die zunehmende chinesische Kriegsbereitschaft beizustehen, wird obsolet, sobald Truppen asiatischer Diktaturen vor den Toren der freien Welt stehen, um gemeinsam mit Russland die freie und demokratische Weltordnung anzugreifen.

Überholte China-Strategie

Die als Überlegenheit zur Schau getragene Siegesgewissheit Wang Yis ist bestenfalls eine Chimäre. Denn, so rechnen Ökonomen aus, Chinas Wirtschaft braucht den Handel mit Europa, um die Verluste auszugleichen, die durch die neuen Zölle der Trump-Regierung sicher kommen werden. Sollten die Vereinigten Staaten und Europa an einem Strang ziehen und die Volksrepublik isolieren, würde das direkte Auswirkungen auf den Machterhalt Xi Jinpings bedeuten, der im Land zunehmend unbeliebt wird.

Der Besuch in China dürfte Frau Baerbock vor Augen führen, dass die neue China-Strategie der nunmehr alten Bundesregierung schon wieder überholt ist. So löblich und gut man eine werteorientierte und feministische Außenpolitik auch finden mag, muss die nun scheidende Bundesregierung konstatieren, dass ihr die konzeptionelle Tiefe und kluge Weitsicht gefehlt hat, eine Jahrhundert-Herausforderung oder -Gelegenheit zu gestalten. Die nächste Bundesregierung ist hoffentlich dazu in der Lage.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.