In den Vereinigten Staaten herrscht bei wenigen Themen so viel Einigkeit wie bei der systematischen Herausforderung, die die Volksrepublik China für die USA darstellt. Im Kongress haben sich Demokraten und Republikaner an die Seite der Menschen in Hongkong gestellt, deren Eigenständigkeit und demokratische Lebensweise von Peking unrechtmäßig planiert wurde. Sanktionen wurden gegen die übelsten Schergen verhängt.
Auch in Sachen Xinjiang sind sich die beiden Parteien einig: sie sprechen einvernehmlich von einem Genozid, den der chinesische Diktator Xi Jinping an der Minderheit der Uiguren, die im Nordwesten Chinas, in der Provinz Xinjiang leben, begeht.
Welche Optionen bleiben Joe Biden?
Der Kongress ist das eine, das Weiße Haus das andere. Dort hat Präsident Joe Biden angekündigt, gegen China mindestens genauso hart vorzugehen wie sein Vorgänger Donald Trump. Dieser hat Zölle auf Produkte aus China während seiner Amtszeit erhöht. Biden hat diese Zölle nicht aufgehoben, sondern beibehalten. Nun aber, da die Inflation in den USA auf knapp über 9 Prozent gestiegen ist, muss der Präsident nach Wegen suchen, die die Last, die die Preissteigerungen mit sich bringen, lindert. Im Herbst stehen die Midterm-Wahlen an und Biden ist beim Wahlvolk so unbeliebt wie kein Präsident der jüngeren Vergangenheit vor ihm.
Bei den Demokraten schwindet daher die Zuversicht. Kann ein Mann, der, wenn man Umfragen um das Wahldatum 2020 herum glauben dar, vor allem deshalb gewählt wurde, "weil er nicht Trump ist", das Steuer herumreißen?
Eine seiner Ideen ist nun, die Zölle auf Konsumgüter, die aus China in die USA importiert werden, zu senken oder ganz abzuschaffen, um so die Preise zu senken. Das allerdings ist ein Drahtseilakt, denn die Republikaner werden diese Maßnahme als Einknicken vor China deuten und im Wahlkampf ausschlachten.
Chinas Wirtschaft unter Druck
In diesem Sinne wurde Bidens Besuch bei der saudischen Diktatoren-Familie zu einem Eierlauf. Im Wahlkampf noch hatte der Präsident angekündigt, Riad zu einem Pariah zu machen. Nun musste er kleinlaut in Saudi-Arabien aufschlagen und einen der schlimmsten Menschenrechtsverletzter auf dem Globus bitten, mehr Öl zu fördern, um die Preise zu senken. Russland, das eigentlich ebenfalls isoliert sein sollte, macht aufgrund der Verknappung des Rohöls, gerade einen riesigen Reibach. Das Exportgeschäft nach Indien boomt.
Der Volksrepublik käme eine Entspannung im Verhältnis mit den USA durchaus zu pass. Das Land wird gerade von einer heftigen Immobilien- und Finanzkrise geplagt. Hinzu kommen sinkende Wirtschaftsaussichten und die höchste Jugendarbeitslosigkeit der jüngeren Vergangenheit. In der Provinz Henan demonstrieren Hunderte, die von Banken dort hereingelegt wurden. Ihre angeblich sichere Sparanlage wurde für Hochrisiko-Investments zweckentfremdet, ein Wert von umgerechnet sechs Milliarden US-Dollar wurde so vernichtet. Auch die Immobilienentwickler haben sich verspekuliert. Tausende haben aufgehört, ihre Raten für die Wohnungen, die sie in Zukunft beziehen wollten, zu zahlen. Grund ist, dass diese Häuser einfach nicht mehr weiter gebaut werden.
Bidens kämpft an mehreren Fronten
Der chinesische Staat, der beide Sektoren nur mies reguliert hat, hat nur eine Option, eine Revolution auf den Straßen zu verhindern und die ist, allen Betroffenen voll zu entschädigen. Derzeit wurden den Sparenden von Henan, nur 7.400 US-Dollar pro Sparer als Kompensation in Aussicht gestellt. Das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.
In dieser Situation kämen Xi Jinping sowohl zusätzliche Einnahmen als auch die Möglichkeit zu behaupten, gegen die USA einen Punkt gemacht zu haben, gerade recht. Aufgrund dieser Gemengelage scheint es für Joe Biden auf Folgendes herauszulaufen: neue, höhere Tarife für hochpreisige, elektronische Waren, bei gleichzeitiger Absenkung der Zölle auf eigentlich günstige Konsumgüter.
Ob die Preise dann wirklich fallen und eine Wahlentscheidung im November zugunsten der Demokraten begünstigen? Spielraum gäbe es dafür: vor der Zoll-Orgie Trumps lag die Besteuerung chinesischer Güter bei 3 Prozent. Derzeit sind es 20 Prozent.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institute der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.