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Haftstrafen nach Todesfall von Köthen

17. Mai 2019

Die rechte Szene hatte den Fall instrumentalisiert und Tausende Menschen auf die Straße gebracht. Die Strafkammer des Landgerichts gab sich hiervon unbeeindruckt und verhandelte streng nach Sachlage.

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Deutschland Urteil im Köthen-Prozess
Einer der Angeklagten vor der Urteilsverkündung im GerichtssaalBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Rund acht Monate nach dem Tod eines 22-Jährigen in Köthen hat das Landgericht Dessau-Roßlau die beiden Angeklagten verurteilt. Sie seien der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Die Kammer folgte den Anträgen der Staatsanwaltschaft und verhängte gegen den 17 Jahre alten Angeklagten eine Haftstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Sein 19 Jahre alter afghanischer Landsmann wurde auch wegen weiterer Taten zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

Der Tod sei kein bloßer Unfall gewesen, sondern durch die Körperverletzung der Angeklagten fahrlässig verursacht worden, begründete die Vorsitzende Richterin Uda Schmidt das Urteil. Der schwer herzkranke Deutsche war im September bei einem nächtlichen Streit auf einem Spielplatz gestorben. Laut Rechtsmedizin erlag er einem Herzinfarkt.

Angehörige schreit im Gerichtssaal

Die Familie des Opfers reagierte aggressiv auf die Verkündung des Strafmaßes für die beiden Angeklagten. Ein Bruder des Toten warf einen Tisch um, eine Schwester schrie. Die Justizbeamten mussten eingreifen und die Angeklagten wurden kurzzeitig aus dem Raum geführt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Köthen Gedenken Rechtspopulismus Rechtsradikale
Am Ort des Geschehens erinnern Kerzen an den Getöteten - auch rechte Gruppen instrumentalisierten den Fall (Archiv)Bild: Getty Images/C. Koall

Im Mittelpunkt des Prozesses stand die Frage, wodurch der Tod des jungen Kötheners verursacht wurde. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Afghanen nachts mit einem Landsmann gestritten hatten. Der 22-Jährige soll hinzugekommen sein, um zu schlichten, woraufhin er von den beiden Verurteilten geschlagen und getreten wurde. Die Afghanen wiesen diesen Vorwurf im Verfahren zurück.

2,4 Promille Alkohol im Blut

Mit Blick auf die Erkenntnisse im Gerichtsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt auf gefährliche Körperverletzung plädiert. Die beiden Männer hätten nicht mit der angeborenen Herzerkrankung ihres Gegenübers und den schwerwiegenden Folgen des Angriffs rechnen können, so die Ankläger. Der Köthener hatte laut Rechtsmedizin 2,4 Promille Alkohol im Blut.

Die Verteidiger hatten Freisprüche vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge gefordert: Der Tod des Deutschen könne ihren Mandanten nicht angelastet werden. Der Anwalt des älteren Afghanen erklärte, dieser sei irrtümlich davon ausgegangen, dass er angegriffen werden sollte. Er habe den 22-Jährigen geschubst, um ihn auf Abstand zu halten. Ein oder mehrere Tritte seien nicht sicher nachzuweisen.

Instrumentalisierte Trauer

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Erst kurz vor der Tat war ein 35-jähriger Deutscher bei einem Stadtfest im sächsischen Chemnitz zu Tode gekommen. Auch hier waren die Verdächtigen Ausländer. In Köthen mobilisierte die rechte Szene noch am Tag des Geschehens rund 2500 Menschen zu einem sogenannten Trauermarsch. Immer wieder gab es in den Folgewochen Demonstrationen rechtsgerichteter Gruppen und Gegendemonstrationen.

jj/sti (dpa, afp, epd)