"Papst macht ersten Schritt"
8. Juni 2014DW: Für Pfingstsonntag hat Papst Franziskus Schimon Perez, Mahmud Abbas und Bartholomaios I. zu einem Friedensgebet für den Nahen Osten eingeladen. Herr Hagenkord, welches Ziel verfolgt der Papst mit diesem Friedensgebet?
Bernd Hagenkord: Er möchte sicherlich einen Weg versuchen, der bislang zu wenig gedacht und ausprobiert wurde. Vielleicht ist Macht das falsche Wort, dennoch würde ich sagen, er glaubt an die Macht des Gebetes, das uns verändert. Das ist zwar ein geistliches Tun. Aber das hat natürlich Auswirkungen: Wenn wir beten, uns gemeinsam an Gott wenden, dann verändert uns das. Genau das möchte der Papst, in einer schwierigen, höchst komplizierten Situation.
Ist dieses Gebet Teil einer Friedenspolitik des Vatikan?
Nein, das hört sich zu sehr nach Politik an, mit Außenministerium und so weiter. Was er da macht, ist nicht Politik, sondern sein Amt, glaubt Papst Franziskus. Wir haben ähnliches erlebt im vergangenen Jahr, beim Gebets- und Fastentag für Syrien. Er will nicht dabeistehen und aufrufen, sondern er will etwas tun. Und das, was Franziskus als Priester, als Bischof, als Papst tun kann, ist eben beten und zum gemeinsamen Gebet einladen.
Am Nahost-Konflikt sind schon viele gescheitert. Kann ein Papst als Nahost-Vermittler mit anderen Mitteln mehr erreichen als politische Diplomaten?
Natürlich ist das kein Zauberstab, den er da jetzt in der Hand hält, um politische Krisen zu lösen. Ganz im Gegenteil: Wir erleben ja in diesen Tagen eine Zunahme von Spannungen. Neue israelische Siedlungen werden gebaut. Es gibt einen Hungerstreik von palästinensischen Frauen auf dem Tempelberg und vieles mehr. Das wird ja nicht auf einmal verschwinden, weil diese drei Menschen am Sonntag gemeinsam ein Gebet sprechen. Ich glaube aber, dass man einen Schritt tun muss. Irgendjemand muss einmal anfangen.
Wir erleben fast jeden Tag, dass im Nahen Osten Schritte gemacht werden, die die Konfrontation verstärken. Und der Papst sagt eben: 'Man kann auch in die andere Richtung gehen. Ich mache das jetzt mal vor und ich lade euch ein, da mitzumachen.' Was daraus politisch folgt, liegt an denen, die bei sich zu Hause Entscheidungen fällen, also in Palästina, in Israel und den umliegenden Ländern. Es ist zumindest mal ein Schritt
Durch die Initiative des Papstes sind Erwartungen geweckt worden. Ist die Enttäuschung nicht programmiert, wenn das Gebet nicht das Erwartete bewirkt?
Das kann sein. Ich finde es aber sehr ehrenvoll vom Papst, wenn er sich davon nicht abhalten lässt. 'Es besteht die Gefahr, dass nichts dabei herauskommt, also machen wir lieber nichts.' Das ist, was Politiker sagen. Der Papst aber sagt: 'Vielleicht kommt nichts dabei heraus. Vielleicht beschädige ich mich selber. Aber das ist der Preis, den jemand zahlt, der den ersten Schritt auf den Frieden hin macht.' Sicherlich: Der Papst kann auch zurückgewiesen werden und wird damit beschädigt - in den Augen der Welt. Aber irgendjemand muss diesen Schritt machen. Und der Papst sagt: 'In Ordnung, dann mache ich ihn.'
Kann man den Nahost-Konflikt durch Gebete lösen?
Nein. Den Nahost-Konflikt löst man durch Absprachen, durch Gerechtigkeit und durch Rechtsstaatlichkeit. Das müssen die Menschen vor Ort machen. Der Papst kann nicht die Welt gesund beten, sondern die liegt in der politischen, menschlichen und rechtlichen Verantwortung der Handelnden vor Ort. Aber man kann den Weg dorthin beschreiten. Das dürfen wir nicht verwechseln. Der Papst macht nicht das Gleiche wie wir das von politischen Nahost-Beauftragten und Außenministern kennen. Das versucht, die festgefahrene Situation von einer anderen Seite her zu lockern. Wir können nur darauf hoffen, dass es einen Schritt dazu beiträgt, dass hier vielleicht der Gewalt und Konfrontation etwas entgegengesetzt wird.
Bernd Hagenkord SJ ist ein deutscher Jesuit und Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan.