Alles auf Anfang in Haiti
7. Juni 2016Wieder und wieder wurden die Stichwahlen verschoben. Nun geht Haiti einen neuen Weg. Die Wahlbehörde teilte mit, dass der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Oktober annulliert werde. Am 9. Oktober diesen Jahres soll ein neuer Wahlversuch gestartet werden. Sollte sich im ersten Wahlgang kein Kandidat durchsetzen, wird es drei Monate danach eine Stichwahl geben.
Mit der Entscheidung folgt die Wahlbehörde dem Bericht der Kommission, die die Wahlen nachträglich geprüft hat. Sie hatte einige Tage zuvor eine Annullierung empfohlen.
Herkunft der Stimmen unbekannt
Bei der Präsidentenwahl hatte es eine Reihe von Unregelmäßigkeiten gegeben. Der Regierungskandidat Jovenel Moïse erhielt damals am meisten Stimmen, die Opposition erkannte seinen Sieg allerdings nicht an und nannte die erste Runde der Stimmenabgabe einen "Wahl-Putsch". Die Prüfungskommission bestätigte die Anschuldigungen mit ihrem Bericht: Sie könne bei 40 Prozent der Stimmen nicht zurückverfolgen, woher sie stammten.
Im Dezember wurde die Stichwahl zwischen Moïse und Jude Célestin wegen Gewaltausbrüchen über den vermuteten Wahlbetrug zum ersten Mal verschoben. Seitdem befindet sich das Land in einer politischen Krise. Im Februar schied Präsident Michel Martelly aus dem Amt. Das Parlament wählte Jocelerme Privert als Übergangspräsidenten und gab ihm den Auftrag, die Wahlen zu organisieren. Doch Priverts Amtszeit darf nicht länger als 120 Tage dauern. Diese Frist läuft in einer Woche ab. Noch ist unklar, was dann bis zu den Neuwahlen geschieht.
Kein Budget für Neuwahlen
Um eine komplett neue Abstimmung über den Präsidenten zu organisieren, bedarf es eines weit größeren Budgets, als Haiti alleine aufbringen kann. Schon die nun annullierten Wahlen hatten internationale Geldgeber mit umgerechnet rund 88 Millionen Euro unterstützt. Aber Haiti steht vor einem Wahlmarathon, denn zusätzlich stehen der zweite Wahlgang der Parlamentswahlen, Senatswahlen und sämtliche Lokalwahlen an. Einige der letzteren waren ursprünglich für 2011 geplant.
Die Verzögerungen im Wahlprozess behindern das Land beim Aufbau nach dem verheerenden Erdbeben von 2010. Erschwerend kommt hinzu, dass das Wählerverzeichnis seitdem nicht aktualisiert wurde. Somit befinden sich auf der Liste immer noch die Namen der rund 220.000 Menschen, die bei der Katastrophe gestorbenen waren. Auch das öffnet Tür und Tor für Wahlfälschung.
ust/kle (afpe, afpf, dpa, ape)