Haitis Präsident Jovenel Moïse ermordet
7. Juli 2021Eine Gruppe bislang unbekannter Angreifer habe in der Nacht die Privatresidenz des Präsidenten überfallen und Moise erschossen, teilte Interims-Ministerpräsident Claude Joseph mit. Moïses Frau Martine wurde verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Joseph verurteilte den "hasserfüllten, inhumanen und barbarischen Akt". Er betonte, dass Haitis Polizei und die Behörden die Situation im Land unter Kontrolle hätten.
Doch dies scheint schon seit Jahren nicht mehr der Fall zu sein. Haiti wird von Bandenkriegen erschüttert. Sie kämpfen unter anderem um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt Port-au-Prince. Auch die Regierung soll Verbindungen zu diesen Banden unterhalten, sagte der haitianische Journalist Widlore Merancourt im DW-Interview. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind aus diesem Grund bereits 15.000 Menschen geflohen. Zudem herrscht große Armut und wirtschaftlich liegt das Land am Boden.
Ein Land in der Dauerkrise
Auch politisch ist Haiti äußerst instabil. Erst am Dienstag wurde mit Ariel Henry der siebte Premierminister binnen viereinhalb Jahren ernannt - ohne jedes Mitspracherecht des Parlaments, da das Land zurzeit keine Volksvertretung hat. Auch scheint er die Arbeit noch nicht aufgenommen zu haben, da sich bislang nur sein Vorgänger Joseph geäußert hat.
Henry solle eine Regierung bilden, das Gewaltproblem angehen und den reibungslosen Ablauf der bevorstehenden Wahlen sicherstellen, schrieb Präsident Moïse am Montag auf Twitter. Am 26. September waren in dem Karibikstaat Präsidenten-und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum geplant – ob sie nun stattfinden ist ungewiss.
Da eine für Oktober 2019 vorgesehene Parlamentswahl unter anderem wegen heftiger Proteste gegen Moïse ausgefallen war, hat Haiti seit Beginn der neuen Legislaturperiode im Januar 2020 kein Parlament mehr. Moïse regierte seither per Dekret. Daher kann Henry, ebenso wie sein Vorgänger Claude Joseph, nicht vom Parlament als Regierungschef bestätigt werden, wie es Haitis Verfassung eigentlich vorsieht.
Nach der Präsidentenwahl von 2015 war eine fünfjährige Amtszeit des Staatschefs ab dem 7. Februar 2016 vorgesehen gewesen. Die Wahl war allerdings wegen Betrugs annulliert und Moïse erst ein Jahr später nach einer Neuwahl vereidigt worden. Proteste gegen Moïse haben Haiti in den vergangenen Jahren immer wieder lahmgelegt.
"Schändlicher Akt" - "Gefahr einer Gewaltspirale"
US-Präsident Joe Biden verurteilte die Tötung seines haitianischen Kollegen als einen "schändlichen Akt". Er sei schockiert und traurig, erklärte Biden in Washington. Die USA stünden bereit, Haiti weiter dabei zu unterstützen, in dem Land auf Frieden und Sicherheit hinzuarbeiten.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich ebenfalls schockiert. "Das Verbrechen zieht die Gefahr von Instabilität und einer Gewaltspirale nach sich", schrieb Borrell auf Twitter. Die Verantwortlichen müssten gefunden und vor Gericht gestellt werden. Ähnlich äußerte sich auch UN-Generalsekretär António Guterres. Er appellierte zugleich an alle Haitianer, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und vereint zu bleiben. Die Vereinten Nationen würden Regierung und Volk des Karibikstaates weiterhin zur Seite stehen.
sti/fab/AR (ape, afp)