Halbzeitbilanz: Stillstand in Doha
1. Dezember 2012"Wir wollen Klimagerechtigkeit", schallt es aus dem Megafon, und dann wiederholen einige Hundert Stimmen: "Wir wollen Klimagerechtigkeit!" Junge Leute aus Asien, Europa, Lateinamerika und der arabischen Region sind es, die an diesem Samstagmorgen (01.12.2012) die gesperrte Uferstraße in Doha entlang marschieren, um gegen den Klimawandel und für die Reduktion von Treibhausgasemissionen zu demonstrieren. "Die Erde ist unsere Heimat", steht auf ihren Plakaten, ebenso wie die Aufforderung an die Delegierten bei der Weltklimakonferenz: "Macht ambitionierte Zusagen zur Emissionsreduktion!"
Unter den Demonstranten sind Reem Al-Khayat und Kholoud Abu-Holayqah, zwei 16-jährige Katarerinnen. “Wir wollen zeigen, dass uns die Umwelt wichtig ist”, sagen sie. "Schließlich sind wir es, die mit den Konsequenzen leben müssen, wenn wir jetzt nicht die Initiative ergreifen." Das ist das Ziel der Organisatoren dieses Marschs: Junge Leute zu einem stärkeren Engagement für den Klimaschutz zu bewegen. "Die Jugend hat während des arabischen Frühlings bewiesen, dass sie die wahren Herrscher sind und dass sie die Prioritäten diktieren können", sagt Wael Hmaidan von der im Libanon beheimateten Umweltorganisation "Climate Action Network International".
Mit den Protesten des arabischen Frühlings hat dieser Marsch allerdings wenig zu tun. Alles läuft sehr friedlich ab und es sind nur wenige Sicherheitskräfte zu sehen. Dennoch: Es ist die erste Demonstration für Umwelt- und Klimaschutz in Katar, und schon allein deshalb bezeichnen die Organisatoren sie als "historisch".
Stillstand bei den Verhandlungen
Bei den Verhandlungen im gut zehn Kilometer entfernten Konferenzzentrum hingegen bewegt sich wenig in Richtung eines historischen Abschlusses. Das Kyoto-Protokoll von 1997 werde verlängert, da hat sich Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats, festgelegt. Bis wann es verlängert wird, bis 2018 oder 2020, werden allerdings die Minister entscheiden müssen, sagt die deutsche Verhandlungsführerin Nicole Wilke.
Außerdem bleibt unklar, welche Ziele zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen sich die Länder setzen wollen, die diese sogenannte zweite Verpflichtungsperiode des Protokolls eingehen. Das sind ohnehin nur die EU, die Schweiz, Norwegen, Australien und Kasachstan - Länder, die für etwa 15 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind.
"Alles politische Fragen, die ab Mittwoch (05.12.2012) geklärt werden müssen, wenn die Umweltminister zu ihrer ersten Verhandlungsrunde zusammenkommen. Dass ihnen dann ein großer Wurf gelingt, erwartet allerdings auch UN-Klimasekretariatschefin Figueres nicht.
Am Ende müssen sich die Minister auf ein politisch ausgewogenes Paket verständigen, von dem niemand begeistert sein wird", sagte sie. Allen sei klar, dass ein Ergebnis in Doha nicht so ambitioniert sein werde, wie es eigentlich sein müsste.
Lücke zwischen Notwendigkeit und Realität
Schließlich müsste es eigentlich darum gehen, ein vor drei Jahren in Kopenhagen beschlossenes Ziel, endlich mit konkreten Maßnahmen umzusetzen: die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Diese Temperaturmarke gilt als absolute Grenze, um gravierende Veränderungen des Klimasystems zu verhindern. Steigt die Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad, drohen katastrophale Folgen: Der kilometerdicke Eisschild Grönlands würde wohl schmelzen, der Meeresspiegel noch stärker steigen, Regenwäldern könnten zu Savannen verdorren.
Legt man allerdings die Emissionsreduktionen zugrunde, die die Länder bisher zugesagt haben, wird sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts geschätzt um mindestens 3,5 Grad erwärmen. Und selbst diese selbst gesetzten Reduktionsziele, sagt Marion Vieweg von dem Thinktank "Climate Analytics", werden bisher von den wenigsten Ländern eingehalten.
Dennoch halten es die Wissenschaftler von Climate Analytics und die des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) für möglich, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Das erfordere aber, sagt Niklas Höhne von dem Beratungsunternehmen Ecofys, Energie zu sparen und die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich auszubauen. Außerdem ginge es nicht ohne ein drittes Element: die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. Allerdings würden entsprechende Technologien derzeit nur in Pilotprojekten angewendet.
Notwendigkeit erkannt, Gefahr nicht gebannt
Technisch und wirtschaftlich sei es machbar, das zwei-Grad-Ziel einzuhalten, so Höhne. Die Frage bleibt, was politisch machbar ist. "Wenn die Länder hier zu den Verhandlungen erscheinen", sagt Christiana Figueres, "dann haben sie schon im Hinterkopf, was aus globaler Sicht nötig wäre." Aber es sei auch völlig verständlich, dass es einen Unterschied gibt, zwischen dem, was aus globaler Sicht nötig ist und dem, was aus nationaler Sicht möglich ist.
"Die Länder tun so viel, wie sie eben können angesichts des öffentlichen Rückhalts, den sie haben", meint Figueres. Auch Marion Vieweg glaubt, dass nur die Wähler die Regierungen dazu bringen können, sich auf drastischere Emissionsreduktionen zu einigen. "Letztendlich“, sagt sie, ist an der Stelle die Gesellschaft unser Chef und muss dafür sorgen, dass die Regierungen in die Verantwortung genommen werden."