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Kettcar: Zwischen den Runden

12. März 2012

Kettcar sind auf ihrem vierten Album "Zwischen den Runden“ erzählfreudiger denn je. Die Ex-Punks verhandeln gelebte Beziehungen, den sozialen Niedergang ihrer Heimatstadt und Tod durch Krankheit.

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Kettcar (Foto:Andreas Hornoff)

Kettcar, die Indierock-Größen mit der Lizenz zum Kuscheln, bringen nach über zehn Jahren Bandgeschichte und vier Jahren Schaffenspause ihr viertes Studioalbum heraus: "Zwischen den Runden". Diese Metapher kann viel bedeuten; zwei Erklärungsmuster liefern Kettcar gleich mit, sozusagen als Packungsbeilage.

Eins vorweg: Gemeint ist weder die Halbzeit des Lebens noch die berühmte Midlife Crisis, die die Anfang-Vierziger eingeholt haben könnte. Gitarrist Erik Langer spricht stattdessen vom "Boxkampf, wo du kurz verschnaufst und dich ausruhst, den raus gehauenen Zahn noch ausspuckst und dann in die nächste Runde gehst". Und er fügt hinzu: "Ganz wichtig: Du darfst den Kopf mal hängen lassen, aber niemals das Handtuch werfen!" Das Leben ist laut Kettcar also ein Kampf - oder vielleicht doch nur ein Aufenthalt in der Kneipe? Dort bedeute 'Zwischen den Runden" einfach, auf das nächste Bier zu warten, so langer, und mit etwas Glück halte man noch einen netten Schnack zwischendurch.

Zärtliche Punks

Kettcar, die 2001 zusammen mit Tomte-Sänger Thees Uhlmann ihr eigenes Label "Grand Hotel van Cleef" gründeten, lieben Geschichten, und auf dem neuen Album wird das mehr als deutlich: Von gelebten und endenden Beziehungen und unheilbarer Krankheit wird da erzählt. Kettcars Musik wurde oft als seichter "Befindlichkeitspop" geschmäht, doch sie bleiben ihrer Paradedisziplin treu: Die Band umarmt ihre Zuhörer regelrecht, im Herzen stets ein Rest von Punk-Attitüde.

Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch (@picture alliance/Jazzarchiv)
Sänger Marcus WiebuschBild: picture alliance/Jazzarchiv

Kettcar können sich nämlich auch beschweren: Verglichen mit dem Vorgängeralbum "Sylt" gibt es diesmal zwar weniger Klagetöne, weniger laute Gitarren, dafür mehr Bläser und Streicher - zu Pantoffelhelden sind die Hamburger deswegen aber noch lange nicht geworden. Mit dem Song "Landungsbrücken raus" hatten sie einst eine regelrechte Hamburg-Hymne geschrieben; auf dem neuen Album nehmen sie eindeutig Stellung zu Vermarktung und Gentrifizierung in der Hansestadt. "Der Dichterfürst lässt leise wissen, ab jetzt kommen die Touristen" heißt es in "Schrilles buntes Hamburg".

Liebe und Erbrochenes

Der rote Faden zwischen den Runden bleibt das Private. Haargenau wird das Thema von Sänger Marcus Wiebusch und Bassist Reimer Bustorff unter die Lupe genommen: Was ist Liebe, wie kommt sie, warum geht sie, warum tut sie oft weh, und warum können wir nicht ohne sie?

Cover: "Zwischen den Runden"
Das Album: "Zwischen den Runden"

In den Texten gibt es die Antworten darauf – sehr reflektiert, mit viel Abstand, aber keineswegs abgekühlt. Liebe ist für Kettcar zum Beispiel, wenn er ihr am Morgen nach durchfeierter Nacht das Erbrochene aus den Haaren pult. "Liebe ist nicht das, was man fühlt, Liebe ist das, was man tut", meint Gitarrist Erik Langer.

Chartstaugliche Indierocker

Kettcar sind und bleiben eine Ausnahmeerscheinung auf dem deutschen Musikmarkt: Sie sind mittlerweile Vorbild für viele Newcomer und zum dritten Mal in Folge auf Platz 5 der deutschen Albumcharts eingestiegen. Das ist keine Selbstverständlichkeit für eine Band, die sich dem Markt bewusst nicht anpassen und die ihr Indie-Image noch lange nicht aufgeben möchte.

Autorin: Eva Gutensohn
Redaktion: Matthias Klaus