Handmade à la Orient
29. März 2010Aufgewachsen ist Hindi Zahra im Süden Marokkos. Sie sog den Trancegesang der Gnawas ebenso auf wie die Lieder der Berber, sie verehrte die afrikanischen Idole Cheika Rimitti und Ali Farka Touré, liebte aber auch die westlichen Klänge von Tina Turner oder Ella Fitzgerald. Musik war von Kindesbeinen an Hindis Lebenselixier. Ihre ganze Familie lebte unter einem Dach - Eltern, Geschwister, Großeltern, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, kurzum: der ganze Zahra-Clan - und jeden Abend wurde musiziert, erinnert sich Hindi: "Man stieg auf den Tisch und tanzte und sang", erzählt sie. "Die Verwandten haben jeden angefeuert, der sich geziert hat: Komm, mach doch mit. Es war einfach ein wunderschönes Gemeinschaftsgefühl." Als Hindi Zahra dann mit 17 Jahren das erste Mal auf einer richtigen Bühne stand, fühlte sie sich so, als ob sie wieder zuhause auf dem Tisch stünde. "Da wusste ich, dass die Bühne mein Platz ist", erinnert sie sich lächelnd, "denn dort fühlte ich mich absolut geborgen."
Exotischer Couscousgenuss
Bei allem Selbstbewusstsein bezeichnet sich Hindi Zahra eher als introvertiert und als Einzelgängerin. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sie gerade mal 12 Jahre alt war, als ihre Familie nach Frankreich auswanderte. Sie musste erst mühsam lernen, sich an die Großstadt Paris und an die fremde Kultur zu gewöhnen. Bis heute liebt sie es, im stillen Kämmerchen an ihren Liedern zu feilen. Dabei legt sie viel Wert auf Tiefgang. Kein Wunder also, dass es fünf Jahre gedauert hat, bis die 30-Jährige mit ihrem Debütalbum "Handmade" zufrieden war. Wie ein Couscous-Gericht sei es geworden, findet sie, voller exotischer Zutaten, eben genau wie ihre Musik. "Beim ersten Hören überwiegt vielleicht der Eindruck, meine Musik sei angelsächsisch geprägt", sagt sie, "aber wenn man genauer hinhört, entdeckt man auch die marokkanischen Einflüsse, sei es die Art, Percussion zu spielen oder den für die Berber typischen Polyphonie-Gesang."
Blues mit französischer Patina
In "Oursoul" erzählt Hindi Zahra von den unerfüllten Träumen eines Mädchens, das zwangsverheiratet wurde. Ein Hauch von Schwermut zieht sich durch die magisch verträumte Musik des Albums, man erahnt die Patina französischer Chansons und jazziger Balladen ebenso wie die Weite der Wüste. Doch vor allem spürt man den Blues; allerdings den afrikanischen Blues, betont Hindi Zahra. "Als ich die westliche Musik und besonders die amerikanische Musik für mich entdeckt hatte, fielen mir viele Gemeinsamkeiten auf", erklärt sie. "Ob ich Ali Farka Touré oder B.B. King höre: Beide drücken sich auf ähnliche Weise aus. Ich wollte eine Brücke zwischen diesen Stilen schlagen." Hindi Zahras Musik klingt eigenwillig, spartanisch und sehr intim. Kunst sei für sie einfach das beste Medium, der Welt ihre tiefsten Gedanken anzuvertrauen, lautet ihr musikalisches Credo.
Seelenverwandt mit Hieronymus Bosch
Beim Komponieren fühlt sich Hindi Zahra oft an ihre Zeit als Museumswärterin im Louvre erinnert, als sie die Werke des Malers Hieronymus Bosch bewachte. "Da sprach jemand aus dem 14. Jahrhundert zu mir, das fand ich einfach absolut faszinierend. Kunst kennt weder räumliche noch zeitliche Grenzen." Jedes Mal, wenn Hindi Zahra ein und dasselbe Gemälde des niederländischen Meisters betrachtete, entdeckte sie etwas Neues. "Mit Musik ist es doch genauso", sagt sie. "Auch ich fühle mich wie eine Malerin, wenn ich auf meiner CD viele verschiedene Farbtupfer einbringe und später beim Hören jeder seinen eigenen Kosmos ergründen kann." Auf Hindi Zahras Farbpalette allerdings ist alles handgemacht - "Handmade" eben, und so hat sie auch ihr Album genannt. In ihrer Großfamilie hätten Hände immer eine wichtige Rolle gespielt, gibt sie sich philosophisch. Die Frauen im Hause hätten mit den Händen ständig kostbare Stoffe bestickt oder köstliche Speisen zubereitet und die Männer die Musikinstrumente gespielt. "Hände nehmen und geben", sagt Hindi. "Für mich symbolisieren Hände einfach den Kontakt zu meinen Mitmenschen."
Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Matthias Klaus