Handkuss für den Mann
8. März 2003Ayu wohnt in einem kleinen Reihenhaus in Westjakarta. Sie ist 31 Jahre alt, hat drei Kinder und einen Ehemann. Ayu ist nicht ihr richtiger Name, doch möchte sie nicht, dass man weiß, wie sie wirklich heißt. Ihr Mann ist an diesem Morgen zu Hause und es empfiehlt sich nicht, darüber zu sprechen, dass ihr Mann sie im vergangenen Jahr misshandelt hat. Früher arbeitete Ayu bei einer Zeitung, musste wegen der Kinder und der Hausarbeit jedoch kündigen: "Die wichtigste Pflicht einer Ehefrau ist die Hausarbeit: waschen, bügeln, spülen ... Es hört nie auf. Wenn ich wollte, könnte ich bis Mitternacht arbeiten." Dass der Mann bei der Hausarbeit hilft, ist in Indonesien undenkbar.
Ehe im Islam
Obwohl Indonesien eine säkulare Demokratie ist, folgt das Ehegesetz islamischem Recht. Die Rollenverteilung ist klar: Der Mann muss präsent sein und Geld verdienen. Die Frau muss sich um den Mann kümmern. Praktisch bedeutet das, dass sie die Hausarbeit macht und auch sonst ihren ehelichen Pflichten nachkommt. Ayu aber beschwert sich nicht: "In meinem Leben hat der heilige Koran Gültigkeit. Es kommt nur darauf an, ihn richtig auszulegen."
Fehlende Ausbildung
Eine Scheidung käme für sie, wie auch für andere Indonesierinnen, niemals in Frage. Das hat etwas mit Moral und Werten zu tun, aber auch mit Geld: "Frauen können sich eine Scheidung einfach nicht leisten", sagt Heny Pancaningtyas von der "Indonesischen Frauenkoalition für Gerechtigkeit und Demokratie". Frauen fehle in der Regel eine gute Ausbildung, durch die sie anständig bezahlte Jobs bekommen könnten. Eine akademische Ausbildung wäre fast undenkbar: "Vor allem auf dem Land meint man, dass das Geldverschwendung wäre. Viele denken, dass Frauen sowieso heiraten und Hausfrauen werden. Warum also eine Ausbildung oder ein Studium?"
Mit Handkuss
In Indonesien ist es eine jahrhundertealte Tradition, dass die Frau ihren Platz an der Seite ihres Mannes und am Herd hat. Ayu hat ihrer fünfjährigen Tochter beigebracht, allen männlichen Besuchern die Hand zu küssen – ein Zeichen von Respekt, sagt Ayu. Vielleicht auch von Unterordnung? Obwohl sich Indonesiens Muslime als "moderat" bezeichnen, müssen auch sie sich an den Koran halten und der schreibe nun einmal klar vor, dass der Mann der Chef der Familie sei, sagt Masykuri Abdillah, Vizerektor der staatlichen Islamuniversität. "Es muss zwischen Männern und Frauen unterschieden werden. Absolute Gleichberechtigung ist unmöglich." Darum will er auch, dass Frauen Kopftücher tragen und dass die Polygamie weiterhin legal bleibt.
Trotzdem meint Abdillah, dass Frauen Universitäten besuchen und politische Ämter bekleiden sollten. Ein Paradoxon? Als vor vier Jahren erstmals Präsidentschaftswahlen frei abgehalten wurden, gewann eine Frau: Megawati Sukarnoputri. Doch die Nationalversammlung ignorierte den Wählerwillen und ernannte einen Mann zum Präsidenten. Erst als der versagte, wurde Megawati Sukarnoputri Staatsoberhaupt. In ihr 30-köpfiges Kabinett holte aber auch sie nur zwei Ministerinnen.
Langsame Veränderungen
Trotzdem: Es tut sich etwas für die Frauen. Im indonesischen Parlament sind bislang zwar erst zehn Prozent der Abgeordneten weiblich, aber das soll sich auf die Dauer ändern: Ein neues Gesetz empfiehlt Parteien, bei der nächsten Wahl 30 Prozent weibliche Kandidaten aufzustellen. Auch wenn es sich nur um eine Empfehlung handelt, so ist diese für Indonesien doch sensationell. Die Frage, die bleibt, ist nur, woher gut ausgebildete Frauen für diese Posten nehmen, wenn ihnen die Ausbildung auch heute noch verwehrt wird.