1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hannover wehrt sich gegen HoGeSa

Alexander Drechsel, Hannover15. November 2014

Bei der Hooligans-Demo in Hannover blieben die Krawalle aus. Gegen massive Polizeipräsenz und die weitaus größere Gegendemonstration hatten die Rechten keine Chance. Aus Hannover Alexander Drechsel.

https://p.dw.com/p/1Do9M
Gegendemonstranten protestieren gegen Hooligan-Demo in Hannover (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Sorge war groß. Die Sorge davor, dass es drei Wochen nach dem gewalttägigen Protest rechtsgesinnter Gruppen in Köln auch in Hannover zu Ausschreitungen kommen könnte. Immerhin war es dieselbe Vereinigung "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa), die erneut zu einer Protestkundgebung aufgerufen hatte. Bis zu 5000 Teilnehmer wurden erwartet. In Köln hatte eine ähnlich große Zahl Polizisten angegriffen und verletzt. Die rechte Szene feierte den Tag als Triumph.

Dementsprechend rumorte es seit Tagen in den deutschsprachigen sozialen Netzen. Rechtsradikale und Islamhasser riefen auf, nach Hannover zu kommen, um gegen Islamismus, Salafismus und für ein nationales Deutschland zu demonstrieren. Linke Netzwerke hielten dagegen und wollten ihre Anhänger für Gegenproteste mobilisieren. Die Polizei von Hannover zog Beamte aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen und am Ende wurde es der größte Polizeieinsatz in der Geschichte der niedersächsischen Landeshauptstadt. Wie viele Polizisten es waren, ließ die Einsatzleitung bewusst im Dunkeln. Die mehreren Tausend Beamten hätten jede Lage unter Kontrolle, hieß es lediglich. Journalisten spekulierten, dass es mehr als 5000 Polizisten sein könnten.

Hannover gleicht einer Festung

Es wundert also nicht, dass die Hannoveraner Innenstadt an diesem kalten, grauen Samstag im November einer Festung glich. Rund um den Hauptbahnhof und in den Geschäftsstraßen waren Polizisten in Schutzkleidung, Absperrungen, Wasserwerfer, Räumpanzer und berittene Polizei - über der Stadt kreisten Hubschrauber. Der triste Platz, auf dem die HoGeSa-Demonstration stattfinden sollte, war weiträumig abgesperrt. Geschäfte hatten ihre Schaufenster mit Holzplatten vernagelt und ein nahegelegenes Hotel all seine Gäste ausquartiert.

Hooligan-Demo in Hannover 15.11.2014 (Foto: dpa)
Hannover war im AusnahmezustandBild: picture-alliance/dpa

Die Demonstration selbst war mit strengen Auflagen belegt worden: kein Alkohol, keine angsteinflößenden Symbole, keine durchgehende Musikbeschallung. Die Veranstaltung selbst musste vor Einbruch der Dunkelheit beendet werden. Die HoGeSa-Anhänger wurden zudem teils durchsucht, um Glasflaschen, Silvesterknaller, Leuchtfeuer oder Schlagwerkzeuge zu konfiszieren. Kontrollen, strenge Auflagen und ein ungewöhnlich großes Polizeiaufgebot sollten Gewaltszenen wie in Köln abwenden.

Rechte Parolen gespickt mit Rückkoppelungen

Anfangs schienen die Maßnahmen fast übertrieben. Denn zum offiziellen Beginn der Demonstration um 11 Uhr am Vormittag waren anstatt der erwarteten 5000 gerade einmal 600 Teilnehmer gekommen. Sie sammelten sich vor einem Lastwagen mit Lautsprechern. Aber immer wieder gab es ein ohrenbetäubendes Pfeifen - die Anlage war viel zu leistungsschwach und die zahlreichen Rückkopplungen zerhackten Reden und Musik. Das meist in martialisches Schwarz gekleidete Publikum störte das offenbar nicht. Vielmehr stimmten sie in den Refrain eines in der Hooligan-Szene beliebten Lieds ein: "Wir sind Hools, die sich gegenseitig auf die Schnauze schlagen."

Gegendemonstranten protestieren gegen Hooligan-Demo in Hannover 15.11.2014 (Foto: dpa)
Gesicht zeigen gegen Rechts: Oberbürgermeister Stefan Schostok, Edelgard Bulmahn (beide SPD) und Claudia Roth (Grüne)Bild: picture-alliance/dpa

Wenn ein Redner doch einmal zu verstehen war, sprachen sie von islamistischen Gefahren, einem unterwürfigen Deutschland und ihrer eigenen Größe, weil sie den Mut hätten, sich gegen die Masse zu stellen und als einzige die Wahrheit sagten. Aber außer den Hundertschaften der Polizei und vielen Journalisten, die die Szenerie beobachteten, hörte sie niemand - der Eisenbahnverkehr des nahen Hauptbahnhofs schluckte die rechten Parolen und die direkt am Platz gelegenen Straßen waren menschenleer. Auf dem Platz dagegen hatten sich laut Polizei bis zum Mittag dann 2600 HoGeSa-Anhänger eingefunden.

Bunter Protest gegen Rechts

Zehn Gehminuten weiter bot Hannover ein anderes Bild. Mitten in der Innenstadt gab es Gegendemonstrationen, die nicht nur besser besucht waren, sie hatten auch die deutlich stärkeren Lautsprecherwagen - was sich auch bald bezahlt machen sollte. Livemusik, bunte Fahnen und ein durchmischtes Publikum warben für Toleranz und protestierten gegen Rechts. Und während die Polizei den HoGeSa-Anhängern untersagt hatte, durch die Stadt zu marschieren, zogen die Gegendemonstranten nach einer Weile geschlossen durch die Straßen, um schließlich in Rufnähe zu den HoGeSa-Demonstranten ihre Abschluss-Kundgebung abhalten zu können.

Gegendemonstranten protestieren gegen Hooligan-Demo in Hannover 15.11.2014 (Foto: dpa)
Zahlreiche Menschen protestierten gegen Hooligan-DemoBild: picture-alliance/dpa

Bille, eine junge Frau Anfang 20, ist eine der Gegendemonstranten. Sie wolle gegen rechte Strukturen protestieren, die in der bürgerlichen Mitte Deutschlands ihrer Ansicht nach immer mehr akzeptiert würden. "Deutschland hat immer noch, auch wenn das viel nicht hören wollen, eine wahnsinnige Verantwortung", sagt sie und hat die Nazizeit mit Holocaust und Weltkriegstoten im Sinn. "Nazis haben hier auf den Straßen absolut nichts verloren." Die rechten Parolen öffentlich hören zu müssen, sei eine Schande für Deutschland.

Scheinargumente als Rechtfertigung für Rechte

Der Protest der HoGeSa gegen Salafismus ist für Bille lediglich ein Scheinargument. Die Kommentare auf den Internetseiten der HoGeSa drehten sich immer um das Bewahren der deutschen Kultur. "Und wenn ich mir Aufnahmen aus Köln angucke und sehe, wie Faschos durch die Straßen ziehen und 'Deutschland den Deutschen' rufen, dann geht es doch nicht mehr um Salafisten", so Bille.

Polizist beobachtet Hooligan-Demo in Hannover 15.11.2014 (Foto: dpa)
Gut abgeschirmt und unter sich: die HooligansBild: picture-alliance/dpa

Am Nachmittag erreichte die linke Gegendemonstration ihr Ziel - nur rund 100 Meter und durch eine mehrspurige Hauptstraße und viele hundert Polizisten getrennt, beschallte ihr Lautsprecherwagen unüberhörbar den Veranstaltungsort der Rechtsgesinnten. "Haut ab. Wir wollen keine Nazis", ist noch eine der freundlichen Aufforderungen in Richtung HoGeSa.

HoGeSa singt erste Strophe des Deutschlandlieds

Die so gescholtenen wollten dem etwas entgegensetzen und stimmten das Deutschlandlied an - mit allen drei Strophen, von denen die erste seit der Nazizeit in Deutschland geächtet ist. Doch der Versuch scheiterte kläglich: Abermals zerrissen Rückkopplungen die Akustik und die wenigen textsicheren Stimmen wurden von einsetzender kurdischer Musik aus Richtung der Gegendemonstration überschallt. Die Fassade des geräumten Hotels warf das Echo der Musik noch einmal über den Platz.

Polizisten sichern Hooligan-Demo in Hannover 15.11.2014 (Foto: dpa)
Zufrieden mit dem Einsatz: die PolizeiBild: picture-alliance/dpa

Es dauerte nicht lange und die HoGeSa-Anhänger verließ der eben noch beschworene Mut. Zusehends leert sich der Veranstaltungsort. Schon anderthalb Stunden vor dem verordneten Ende drängten sich die meisten Demonstrationsteilnehmer in Richtung Bahnhof.

Polizei ist zufrieden mit Verlauf

Polizeisprecher Andre Puiu war zufrieden: "Wir haben heute einen ausgesprochenen störungsfreien Verlauf, einen sehr friedlichen Verlauf gehabt." Lediglich aus den Reihen der Gegendemonstranten habe es kleinere Zwischenfälle gegeben, die aber relativ schnell beherrschbar gewesen seien. Der Polizeieinsatz sei gut konzeptioniert gewesen und habe die Lage sehr gut beherrschbar gemacht.

Hannover konnte an diesem Novembertag aufatmen: Die befürchtete Eskalation blieb aus. Und der Staat hat HoGeSa ein klares Signal gegeben: Massenhafte rechte Gewalt wird in den Straßen deutscher Städte nicht geduldet. Bleibt zu hoffen, dass die Botschaft dort angekommen ist.