Hans Christian Andersen: Poet mit Feder und Schere
Ein Ausstellung in der Bremer Kunsthalle zeigt den Märchenerzähler von einer anderen Seite: Sie präsentiert Scherenschnitte, Zeichnungen und Collagen, die bislang in Deutschland nur wenig bekannt sind.
Der Botaniker
Ein bizarres Pflanzenmännchen mit großem Kopf, umrahmt von Blütenblättern. Der Märchenerzähler Andersen verbildlichte hier seine Vorstellung vom Geist der Natur. "Die lebendige Blume, die etwas erlebt, die Gefühle hat, ist ein Motiv, das Andersen sehr geschätzt hat", sagt Detlef Klein, einer der Kuratoren der Ausstellung "Hans Christian Andersen. Poet mit Feder und Schere".
Weißer Mühlenmann mit zwei Ole Lukøjes
Das Motiv der Mühle beschäftigte Andersen von Kindheit an. Mühlen bestimmten zu seiner Zeit das Landschaftsbild Dänemarks. "Ole Lukøje ist das dänische Pendant zum deutschen Sandmann", erklärt Anne Buschhoff, die die Ausstellung zusammen mit Detlef Klein kuratiert. "Er kommt abends und hält den artigen Kindern einen Schirm über den Kopf, der laut Märchen innen mit schönen Bildern ausgemalt ist."
Ballerinen in einer verkorkten Flasche
"Andersens Scherenschnitte haben immer etwas mit seiner Biografie zu tun", sagt Anne Buschhoff. "Er träumte von einer Karriere als Schauspieler, Tänzer oder Sänger, aber der Traum erfüllte sich nicht." Viele Motive in der Ausstellung zeigten daher Ballerinen und Theaterbühnen. Hier hat Andersen seine zwei Tänzerinnen in eine verkorkte Flasche gesperrt.
Phantasieschnitt für Dorothea Melchior
Dieser großformatige Scherenschnitt zeigt das ganze Motiv-Repertoire von Hans Christian Andersen. Es ist eines seiner letzten und zugleich aufwendigsten Werke, das er für Dorothea Melchior, eine befreundete Kaufmannsgattin, erstellte. Zu sehen sind neben Mühlenmännern, Harlekinen und Ballerinen auch zwei Totenköpfe. Offenbar ahnte Andersen sein baldiges Lebensende bereits.
Orientalisches Gebäude
Hans Christian Andersen ist viel herum gekommen. Seine Reisen führten ihn durch ganz Europa bis hin nach Konstantinopel im Osmanischen Reich, wo er sich inspirieren ließ. Als Kind las er zudem die Märchen von 1001 Nacht. "Man sieht in Gedanken die prächtigsten Zauberpaläste", erinnerte er sich 1841 auf der Fahrt in den Orient. In seinem Werk finden sich diverse orientalische Phantasie-Schlösser.
Seite aus dem Bilderbuch für Agnete Lind
In der Bremer Ausstellung werden neben den Scherenschnitten auch Collagen von Hans Christian Andersen gezeigt. Er bediente sich dafür an den damals im Entstehen begriffenen Illustrierten. Andersen interessierte sich in den Collagen sowohl für das Visuelle als auch für die Materialität. So kombinierte er bewusst Papiersorten, die über verschiedene Oberflächen und Konsistenzen verfügten.
Der Vesuv (1834)
Auf seiner Italienreise wurde Andersen Zeuge eines Vulkanausbruchs. Er sah, wie ein breiter Lavastrom den Vesuv herunterfloss, was ihn nachhaltig beeindruckte. In dieser Zeichnung verzichtete er gänzlich auf Binnenstrukturen. Was heute modern wirkt, befremdete seine Zeitgenossen. "Er konnte damit nicht dem Maßstab der akademischen Zeichenkunst gerecht werden", so Detlef Stein.
Mann mit Turban (1871)
In seinen letzten Lebensjahren fand Andersen Gefallen an der sogenannten Klecksographie, eine experimentelle Technik, die auf Tintenklecksen beruht, die - meist zufällig - aufs Papier tropfen. Von dieser zufälligen Form inspiriert entstehen zum Teil winzig kleine Bilder wie dieses hier, in dem Andersen ebenfalls Eindrücke seiner Reisen zu verarbeiten schien.