"eSport verbindet Menschen"
8. Februar 2018eSport ist auf seinem Weg in Deutschland als Sportart anerkannt zu werden, einen guten Schritt weiter gekommen. Im vorläufigen Entwurf des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD heißt es "...werden wir eSport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen...".
Erst im November 2017 hatte sich der deutsche Dachverband, der eSport-Bund Deutschland (ESBD) gegründet. Sein oberstes Ziel ist die Anerkennung von eSport als offizielle Sportart. Offiziell anerkannt zu sein, hat viele Vorteile. So erhält der Verband Zugang zu den staatlichen Fördertöpfen und Vereine können als gemeinnützig eingestuft werden. Dies bringt vor allem finanzielle Vorteile. So können Spendengelder angenommen werden und im Verein tätige Ehrenamtler genießen Steuervorteile. Über die neuen Entwicklungen sprachen wir mit Hans Jagnow, dem Präsident des eSport-Bund Deutschland (ESBD).
Deutsche Welle: Herr Jagnow, eSport soll offiziell als Sportart anerkannt werden. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag. Wie ist Ihre erste Reaktion ausgefallen?
Hans Jagnow: Es ist eine freudige Nachricht, aber keine Überraschung, denn dem ist ein monatelanger Dialogprozess vorausgegangen. Das die Absichtserklärung über die Anerkennung als Sportart im Koalitionsvertrag steht, ist jetzt natürlich ein neuer Höhepunkt. Das Thema war über die ganzen letzten 20 Jahre virulent. Ende der 1990er Jahre ist eSport in Südkorea staatlich anerkannt worden. Jetzt, 20 Jahre später, wären wir in Deutschland an diesem Punkt angekommen.
Die Anerkennung als Sportart würde eine Förderung durch die Bundesländer nach sich ziehen. Was ist da konkret zu erwarten?
Erst einmal ist es ja nur eine Absichtserklärung im Koalitionsvertrag, über den auch noch die jeweiligen Parteigremien abstimmen müssen. Aber konkret geht es da um die Sportmittelförderung, die Förderung von Sportstätten oder Sportanlagen oder Zuschüsse bei der Anschaffung von Sportgeräten.
"Es gründen sich sehr viele eSport-Vereine"
Außerdem schreibt Ihr Verband in den ersten Reaktionen, dass die Entscheidung die Grundlage für die Schaffung einer breiten Amateurstruktur ebnen würde. Was müssen wir uns darunter genau vorstellen?
Wir haben in den letzten Jahren die Entwicklung gehabt, dass sich sehr viele eSport-Vereine gegründet haben, vor allem in Städten wie Leipzig, Magdeburg und auch Berlin. Da haben wir mittlere zweistellige Zahlen bei den Neugründungen. Hinzu kommen auch Breitensportvereine, die eine eigene eSport-Abteilung gründen. eSport war in den letzten Jahren vor allem eine Publikumssportart, bei denen Zuschauer zu den Turnieren gefahren sind. Jetzt findet eine Regionalisierung statt. Die Leute organisieren sich in einem Verein, um zu trainieren und zu üben. So ist zum Beispiel der TSV 1895 Oftersheim aus Baden-Württemberg ein Gründungsmitglied unseres Verbandes. Wir begrüßen das außerordentlich, da im Breitensport im eSport-Bereich noch viel Raum ist.
Vor einiger Zeit wurde die Anerkennung von eSport als Sportart vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und auch der Politik noch abgelehnt. Warum kommt dieser Schritt jetzt von der Politik?
Dem ist ja ein Dialogprozess vorausgegangen. Die Erkenntnis hat sich einfach durchgesetzt, dass eSport nicht nur einen großen wirtschaftlichen Aspekt, sondern auch eine soziale Komponente hat. Leute wollen sich organisieren, treffen, spielen, trainieren. eSport verbindet Menschen, genau wie im traditionellen Sport.
Wie entscheidend war die Gründung des eigenen Verbands ESBD im November letzten Jahres für diesen Prozess?
Wir haben das als notwendigen Schritt gesehen und den Handlungsdruck erkannt. Das ist auch immer wieder an uns herangetragen worden, dass es eben keinen geeinten Ansprechpartner für den eSport in Deutschland gibt. Dieses Signal war deutlich bei uns angekommen.
"Bogenschießen oder Motorsport, hat nur wenig körperlichen Effekt"
Der DOSB hat ja immer durch Fachleute und Mediziner vor den Folgen der Bewegungsarmut und vor orthopädischen Schäden beim eSport gewarnt. Ist das jetzt alles überholt?
Das kommt ganz darauf an, welchen Sportbegriff sie verwenden. Wenn Sie jetzt, salopp gesagt, den Jahn'schen Begriff der Ertüchtigung ["Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn (1778 - 1852) - Anm. der Red.] als Grundlage nehmen, dann ist der eindeutig überholt. Wir haben mittlerweile eine riesengroße Bandbreite von unterschiedlichen Sportarten. Von Präzisionssportarten wie Bogenschießen bis zum Motorsport, mit wenig körperlichem Effekt. Es hat auch noch keiner gesagt, 'die Jugend verdorrt beim Motorsport'. Und so sehen wir es auch beim eSport.
Gibt es jetzt noch irgendwelche Hürden zu überwinden? Und was ist mit Gewaltspielen, die von Kritikern des eSport immer wieder ins Feld geführt werden?
Da müssen sich die staatlichen Stellen weiter Gedanken machen, wir geben gerne unseren Input. Wir haben eine große Diversität im eSport-Bereich. Die Varianz geht von Sportsimulationen über Strategiespiele bis zu Games im Fantasy-Bereich. Das sind nicht nur Ego-Shooter. Das sind die großen, populären Spiele. Es gibt nicht nur ein Spiel, das unberechtigterweise verdammt oder verteufelt wird. Viele Spiele haben ja auch eine Altersfreigabe. So ist Counterstrike ab 16 Jahren freigegeben, League of Legends ab 12, Fifa ab 0. Kampfsportarten beispielsweise sind ja auch von der Zugänglichkeit her untergliedert, von technischen Disziplinen wie Karate und Ju-Jitsu bis hin zu Publikumsevents im MMA-Bereich.
Hans Jagnow ist Präsident im E-Sport-Bund Deutschland (ESBD), der erst im November 2017 in Frankfurt am Main gegründet wurde. Bis dahin war er Vorstandsmitglied im 1. Berliner E-Sport-Club e.V. und leitete dort die Kommunikationsarbeit. Sein Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt an der Oder und Berlin hat er im Oktober 2017 abgeschlossen. Seit einigen Jahren arbeitet er zum Thema Digitalisierung und Netzpolitik im Abgeordnetenhaus von Berlin als persönlicher Referent.
Das Gespräch führte Arne Lichtenberg.