UNESCO-Wattenmeer ist Welterbe
26. Juni 2009Auch in Mitteleuropa gibt es Wildnis: Das Wattenmeer in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark ist noch so, wie es einmal entstanden ist. Vor 8000 Jahren, als der Meeresspiegel nach der letzten Eiszeit begann, immer weiter anzusteigen. Im Wechsel von Ebbe und Flut zeigt sich heute eine einzigartige und faszinierende Landschaft am Übergang zwischen Meer und Land. 20.000 Seehunde leben im Watt: Hier bringen sie ihre Jungen zur Welt. Für Millionen von Zugvögeln ist das Wattenmeer ein reich gedeckter Tisch. In den wenigen Zentimetern unter der Wattoberfläche leben Milliarden von Schnecken, Würmern oder Muscheln. Und für die Fische ist das Watt die Kinderstube schlechthin. Hier sind sie sicher vor ihren Feinden. Im seichten und von der Sonne erwärmten Wasser verdriften die Larven und wachsen heran, bis sie als ausgewachsene Fische wieder in die Nordsee hinausschwimmen. Pflanzen wie Strandnelken oder Halligflieder werden vom salzigen Wasser überflutet und blühen gerade deswegen so lange und so farbenprächtig. Diese Salzwiesen bremsen die Nordseewellen und fangen die nährstoffreichen Sedimente ein.
Der Nationalpark in der Kritik
Das Wattenmeer zum Nationalpark zu erheben, glich zunächst einer Quadratur des Kreises. Fischfang, Muschelernte, Öl- und Gasförderung waren die Stolpersteine, die eine nicht enden wollende Debatte auslösten. Nutzer und Schützer führten in den 80er Jahren einen harten Kampf um das Wattenmeer; damals wäre der Welterbetitel noch undenkbar gewesen - selbst nach der Einrichtung der Nationalparke in Deutschland, Mitte der 80er Jahre.
Mit der Anmeldung des deutschen und niederländischen Wattenmeers zum Weltnaturerbe befasste sich auch die UNESCO mit dem Nationalpark in Deutschland. Doch was sie vorfand, gefiel ihr ganz und gar nicht. Die Öl- und Gasförderung im deutschen Antragsgebiet von der niederländischen bis zur dänischen Grenze widersprach dem Welterbegedanke.
Ausnahmen von der Regel
Die Anmeldung stand zunächst auf der Kippe. Die Öl- und Gasförderungen sind in Deutschland und den Niederlanden gesetzlich verankert. Darum kritisiert die internationale Naturschutzorganisation WWF weitere Probebohrungen im schleswig-holsteinischen Wattenmeergebiet. Die Welterbe-Anmeldung trotzdem durchzubringen, war eine besondere Herausforderung. Die Flächen der Öl- und Gasförderung wurden kurzerhand aus der beantragten Welterbefläche herausgeschnitten. Es musste nachgewiesen werden, dass die Besonderheit des Wattenmeers nicht davon abhängt, wie groß letztendlich die Gesamtfläche ist.
Mit Hilfe der Forschung
Ganz gleich, wie groß die Fläche auch sein mag: Eine Artenvielfalt von besonderem Rang zeichnet das Wattenmeer aus. Der ständige Austausch zwischen Meer und Land formt die Nordseeküste. Im scheinbaren Chaos der immer wiederkehrenden Sturmfluten wird ein Feuchtbiotop von einzigartigem Rang bewahrt. Was das Meer nimmt, wird an anderer Stelle wieder angeschwemmt. Dieses Wechselspiel bewahrt auch den Lebensraum für Seehunde, Vögel, Kleinstlebewesen und Pflanzen. Es ist ein Ökosystem, das sich in den Turbulenzen selber erhält, und zahllose Wissenschaftler immer wieder überrascht hat. Mit ihrer Hilfe ist es gelungen, die Nutzung durch Fischfang, Ölförderung oder Küstenschutz so zu lenken, dass das Wattenmeer bis heute geblieben ist, was Natur eigentlich sein soll: Eine Wildnis, die es wert ist, zum Weltnaturerbe erhoben und für alle Zeiten bewahrt zu werden.
Autorin: Annette Eversberg
Redaktion: Aya Bach