Babyexperten und Ersatzmütter
5. Mai 2016Rund 800 Frauen und 8000 Neugeborene sterben weltweit jeden Tag an vermeidbaren Komplikationen, die während der Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett auftreten. Diese Zahlen kommen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In ihren "10 Fakten zu Hebammen" heißt es: "Viele dieser Leben könnten gerettet werden, wenn bei jeder Geburt eine ausgebildete Hebamme dabei wäre."
Die Lebensretter werden am 5. Mai, dem Internationalen Hebammentag, gefeiert. Der Internationale Hebammenverband rief die Initiative 1992 ins Leben, dieses Jahr steht das 25-jährige Jubiläum an. Das Motto: "Frauen und Neugeborene: Herzstück der Hebammenarbeit".
Neuen Müttern die Ängste nehmen
In Deutschland darf ein Arzt keine Geburt allein begleiten - eine Hebamme muss immer dabei sein, egal, ob es um einen Kaiserschnitt im Krankenhaus oder um eine Hausgeburt geht. Das ist in Paragraph 4 des deutschen Hebammengesetzes festgehalten.
In Deutschland gibt es etwa 21.000 Hebammen und die sind schwer gefragt, sagt Martina Klenk, die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands.
"Hebammen sind Fachfrauen für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Die Frauen fordern, dass sie dabei sind", berichtet Klenk der DW: "Es ist schließlich eine riesige Umbruchsituation, wenn eine Frau Mutter wird."
Hebammen helfen Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, indem sie erklären, was zu erwarten ist und Hausmittel gegen Schwangerschaftsprobleme empfehlen. Sie sind bei der Geburt dabei und sie besuchen Mutter und Kind auch nach der Geburt zuhause, wenn die Mutter es möchte. Viele neuen Mütter tun das.
"Eine Hebamme kann wirklich gut Ängste und Bedenken nehmen", erzählt Sarah Wohl der DW. Sie brachte ihr erstes Kind 2012 zur Welt. "Wenn du das möchtest, zeigt sie dir, wie du das Kind badest, welche Handgriffe wichtig sind, wie du das Stillen gut für dich gestalten kannst. Das sind alles Sachen, die eine Hebamme macht, die ein Arzt gar nicht in dem Maße tun kann, weil er dich im Regelfall nicht zuhause sieht, sondern nur in einer künstlichen Situation."
Sarah Wohl, 31, erwartet gerade ihr zweites Kind und sagt, sie ist sehr froh, dass die Hebamme, die ihr beim ersten Kind geholfen hat, sie auch dieses Mal wieder begleitet.
Das ist nicht selbstverständlich. Hebammen sehen sich in Deutschland immer größeren Schwierigkeiten gegenüber, weil die Kosten für ihre Haftpflichtversicherung in den letzten Jahren stark angestiegen sind. Einige Hebammen mussten deswegen ihren Beruf aufgeben.
Die Sache mit der Haftpflichtversicherung
2016 musste eine selbstständige Hebamme mehr als 7000 Euro pro Jahr für ihre Haftpflichtversicherung ausgeben, 2017 werden es mehr als 8000 Euro sein, sagt Klenk vom Deutschen Hebammenverband.
1981 lagen die Kosten noch bei rund 30 Euro. Der Anstieg ist nicht so extrem, weil Hebammen mehr Fehler machen als früher. Heute überleben mehr Babys als früher, auch wenn bei der Geburt etwas schiefgeht. Gerade dadurch können höhere Kosten für die Versicherung entstehen.
Sollten sich die Eltern eines Babys mit Behinderung entscheiden, vor Gericht zu klagen, muss die Versicherung der Hebamme für die Behandlungskosten und für eine mögliche Betreuung aufkommen oder auch das Gehalt der Mutter zahlen, das ihr entgeht, falls sie zuhause bleiben muss.
Der Deutsche Hebammenverband hat berechnet, dass eine selbstständige Hebamme etwa 8,50 Euro pro Stunde verdient, also den gesetzlichen Mindestlohn. Da sind 7000 Euro sehr viel Geld. In Österreich sind alle Hebammen im Österreichischen Hebammengremium registriert, das eine Gruppenhaftpflicht für 350 Euro pro Jahr anbietet. Hebammen verdienen zwar auch weniger im südlichen Nachbarland, erläutert eine Sprecherin des Gremiums der DW. Aber der Unterschied ist trotzdem erheblich.
Während der ganzen Geburt dabei
Nicht alle Hebammen in Deutschland sind selbstständig, auch Krankenhäuser beschäftigen die Geburtshelferinnen. Aber weil auch in den Kliniken gekürzt wird, muss eine Hebamme manchmal drei Frauen gleichzeitig im Kreissaal betreuen. Da seien Frauen oft alleine bei der Geburt, "in einer Krisensituation", sagt Klenk.
Auch in anderen Ländern ergeht es Frauen im Kreissaal ähnlich: Der Arzt schaut immer mal rein, um sicher zu gehen, dass alles rund läuft und lässt sich ansonsten nicht oft blicken. Deswegen brachte Teresa aus Washington ihre Doula mit, als sie zur Geburt im Juni 2015 ins Krankenhaus kam. Eine Doula ist eine Geburtsbegleiterin, ähnlich einer Hebamme.
"Sie hat sich für mich eingesetzt und mir geholfen, die Geburt durchzustehen", erzählt Teresa der DW. Sie habe zwar einen guten Arzt gehabt, aber der kam "nur ins Zimmer, um zu sehen, wie weit ich war und für die tatsächliche Geburt."
Yasmin hatte ebenfalls ihre Hebamme dabei, als sie vor zwei Jahren in Bonn ihr Kind zur Welt brachte. "Sie ist wie eine Mutter, aber eben nicht die eigene Mutter", erzählte die 30-Jährige der DW. "Das ist auch gut, denn die eigene Mutter will man ja nicht dabei haben."
Yasmin war froh darüber, dass ihre Ersatzmutter die ganze Zeit an ihrer Seite war, vor allem, nachdem sie gesehen hatte, wie das Schichtsystem der Krankenhaushebammen funktionierte. Da könne es passieren, dass das Schichtende mit den Wehen zusammenfalle, sagt Yasmin. Sie hätte sich ohne ihre eigene Hebamme Sorgen gemacht, dass ihr eine Hebamme, die neu ihre Schicht anfange, unsympathisch hätte sein können.
Unersetzlich für die Gesundheit von Mutter und Baby
In Pakistan, wo Yasmins Vater herkommt, hat die Arbeit von Hebammen eine lange Tradition. Der Beruf wird von Generation zu Generation weitergegeben, erzählt Yasmin. Die meisten Geburten in den ländlichen Regionen des Landes finden noch zuhause statt, ohne Ärzte - da sind Hebammen noch wichtiger als in Industrienationen wie Deutschland. Hebammen, sagt Yasmin, sind hoch angesehen in Pakistan.
Trotzdem sind Geburten in Pakistan und anderen Entwicklungsländern immer noch riskanter. Rund 287.000 Frauen sterben jedes Jahr an Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt und etwa 2,9 Millionen Neugeborene sterben jedes Jahr in ihrem ersten Lebensmonat. Die meisten dieser vermeidbaren Todesfälle treten in armen Ländern und in ländlichen Regionen auf, sagt die WHO.
Deswegen unterstützt die Organisation die Arbeit von Hebammen weltweit.
"Die WHO arbeitet mit Staaten zusammen, um sicherzustellen, dass Hebammen-Angelegenheiten in nationalen Gesundheitsplänen berücksichtigt werden", so die WHO. Hebammen seien "eine zentrale Säule in der Gesundheitsversorgung von Müttern und Neugeborenen."