"Souveränität ist mehr als Washingtons Wille"
28. Dezember 2020"Wir brauchen nicht über europäische Souveränität zu reden, wenn darunter verstanden wird, dass wir in Zukunft alles nur noch machen, wie Washington es will", sagte Heiko Maas der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Mit Blick auf die für den 20. Januar geplante Ablösung von US-Präsident Donald Trump durch Joe Biden unterstrich der SPD-Politiker: "Die Bundesregierung wird ihre Haltung zu Nordstream 2 nicht verändern."
Die 1200 Kilometer lange Gasleitung von Russland nach Deutschland ist zu 94 Prozent fertig gebaut. Die USA versuchen sie dennoch mit Sanktionen zu stoppen und drohen auch deutschen Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt sind. Die Amerikaner begründen ihre Ablehnung mit zu großer Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas. Pipeline-Befürworter werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.
"In zentralen geopolitischen Fragen einer Meinung"
Biden lehnt Nordstream 2 ebenso wie Trump ab. Maas sagte dazu, es werde auch nach dem Wechsel im Weißen Haus Themen geben, bei denen man unterschiedlicher Auffassung sei. "Wichtig ist, dass wir in den zentralen strategischen und geopolitischen Fragen eine gemeinsame Linie haben, auf der gleichen Seite des Feldes stehen." In der vierjährigen Regierungszeit Trumps waren die deutsch-amerikanischen Beziehungen wegen zahlreicher Streitthemen auf einen Tiefpunkt abgesackt. Die Bundesregierung wirbt nun für einen Neuanfang.
Trump hatte Deutschland unter anderem vorgeworfen, zu wenig ins Militär zu investieren. Auch hier ist von Biden kein Kurswechsel zu erwarten. Maas bekannte sich zwar zu dem Ziel der NATO, wonach jeder Mitgliedstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben soll. Er betonte aber, im Zuge der Corona-Krise müssten alle Staaten ihre Finanzen neu ordnen. "Danach wird man darüber reden müssen, was das für den eingeschlagenen Pfad und für das Ziel insgesamt bedeutet."
"Sicherheitsbedürfnisse der Nachbarstaaten kommen zu kurz"
Maas äußerte sich im dpa-Interview auch zur Beteiligung Deutschlands an der nuklearen Abschreckung der NATO - der Beitrag ist innerhalb seiner eigenen Partei höchst umstritten. In der Debatte kämen ihn die Sicherheitsbedürfnisse der Nachbarstaaten zu kurz, so der Minister. "Wenn man sagt, wir wollen als Deutschland aus der nuklearen Teilhabe aussteigen, muss man auch berücksichtigen, was das für unsere Partner bedeutet."
Gemeint sind damit Länder wie Polen und die baltischen Staaten, die an Russland grenzen und sich von dem riesigen Nachbarland bedroht fühlen. Im rheinland-pfälzischen Büchel in der Eifel sollen noch etwa 20 US-Atombomben lagern, für deren Abzug immer wieder auch führende SPD-Politiker plädieren. Im Ernstfall könnten die Bomben von Bundeswehr-Kampfjets abgeworfen werden, was innerhalb der NATO als "nukleare Teilhabe" bezeichnet wird.
jj/as (dpa)