Heinrich Schliemann - Entdecker Trojas
4. Januar 2016Heinrich Schliemann war eine Mischung aus Fantast und verkanntem Genie. Ein Fantast, weil er mit einer "Ilias"-Ausgabe des antiken Dichters Homer in der Hand durch die Türkei zog und nach Troja suchte. Ein Genie, weil er im ausgehenden 19. Jahrhundert Forschungsmethoden erfand, die bis heute Anwendung finden. Die Deutschen wussten seine Leistung lange Zeit nicht zu schätzen. Er wurde von der Berliner Konkurrenz, namentlich der Koryphäe seines Fachs, Ernst Curtius, damals schlicht nicht ernst genommen. Anders als in England, wo man den am 6. Januar 1822 in Ostmecklenburg geborenen Forscher hymnisch als Entdecker des geheimnisvollen Trojas feierte.
Mit einer Ausgabe der Ilias in der Hand suchte Schliemann nach Troja
Jahrtausende hat die Suche nach der Stadt angedauert. Aber keiner konnte den Nachweis erbringen, dass an Homers Epos vom Trojanischen Krieg etwas dran war. Bis zum Jahr 1871. Unter dem Hügel Hisarlik in der Troas im heutigen Nordwesten der Türkei fand der damals 49-jährige Schliemann die Überreste der Stadt Troja, die auch den Beinamen "Ilion" trägt, nach dem Homer sein Epos "Ilias" benannte. Heinrich Schliemann war nicht der Erste, der glaubte, dass sich genau dort die von Homer beschriebene Stadt befand.
Der Brite Frank Calvert grub schon vor dem Deutschen in der Region. Beide lernten sich durch Zufall kennen. Calvert war sogar Besitzer des Landes rund um den Hisarlik, hatte aber kein Geld mehr, um weiter zu graben. Seine Arbeit war nicht von Erfolg gekrönt. Die lange Siedlungsgeschichte der Stadt, die von 3000 v. Chr. bis ins Hochmittelalter reicht, erschwerte anfangs eine genaue Zuordnung der Funde. Calvert brachte Schliemann dazu, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Und 1872 war sich Schliemann sicher: Die dicken Mauern, die er ausgrub, gehörten zur Befestigungsanlage von Troja.
Geschäftsmann, Goldsucher und Archäologe
Für den Abenteurer war die Antike ein Lebenstraum. Schon seit seinem achten Geburtstag schwärmte er für Homers Geschichten. Sein Karriereweg verlief allerdings zunächst gar nicht in diese Richtung. Aufgewachsen in einer Pfarrersfamilie in Ostmecklenburg mit acht Geschwistern trat Schliemann mangels einer weiterführenden Schulbildung eine Kaufmannslehre an. Über Umwege gelangte er nach Amsterdam, wo er als Bote in einem Kontor anfing. Dass es ihm leicht fiel, Sprachen zu lernen, kam ihm zugute. In nur einem Jahr lernte er Niederländisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch, dann kam Russisch dazu. Schliemann wusste seine Sprachkenntnisse geschickt einzusetzen.
Als er nach Russland umzog, machte er Geschäfte mit Munitionsrohstoffen und wurde damit reich. Er ging nach Paris, um zu studieren, lernte Altgriechisch und Latein. Eine Bildungsreise führte ihn 1868 nach Ithaka, wo er nach dem Palast des Odysseus grub. Von dort reiste er weiter ans Marmaris-Meer. Homers Ilias war sein Vademecum. Mit dem antiken Epos als Wegweiser suchte er nach Troja. Zunächst stieß er auf Gefäße, die nicht zu Homers Beschreibungen passten. Dann buddelte er die meterhohen Reste der prähistorischen, zu Ruinen verfallenen Stadt aus. Zu seinen bedeutendsten Funden zählte im Jahr 1873 der "Goldschatz des Priamos", wie ihn Schliemann taufte. Er schmuggelt ihn außer Landes und schenkte ihn den Deutschen. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs gelangt der Schatz nach Russland und galt lange Jahre als verschollen. Heute wird er im Puschkin-Museum in Moskau verwahrt.
Irrtümer der Zuordnung
Leider irrte sich Schliemann. Es handelt sich nämlich gar nicht um den "Schatz des Priamos". Sein Goldfund stammte vielmehr aus einer unbekannten Hochkultur, die rund 1250 Jahre älter ist als Troja. Auch in Mykene, wo Schliemann von 1874 bis 1876 grub, saß er einem bedauerlichen Irrtum auf: Denn die Goldmaske, die er dort ausgrub, gehörte nicht dem mykenischen Heerführer Agamemnon. Trotzdem verzieh ihm die Nachwelt seine Fehleinschätzungen. Heinrich Schliemann, der am 26. Dezember 1890 in Neapel starb, zählt bis heute zu den bedeutendsten Archäologen der Geschichte und wird in der ganzen Welt verehrt.
Das Neue Museum Berlin widmet Heinrich Schliemann vom 4. Januar bis zu 30. Juni nun eine Sonderausstellung.