Hendricks: "Klimagipfel wird gelingen"
9. Juli 2015Ende des Jahres findet in Paris die 21. UN-Klimakonferenz statt. Es wird die wichtigste Umweltkonferenz der vergangenen Jahre werden: 194 Staaten wollen dabei gemeinsam einen neuen, bindenden Klimavertrag, den Nachfolger des Kyoto-Protokolls, verabschieden. Ein Hauptziel: Die Klimaerwärmung soll auf zwei Grad begrenzt werden. Wird dies gelingen? Die deutsche Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bezieht Stellung.
DW: Frau Hendricks, was sind ihrer Erwartungen an den Klimagipfel?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass er gelingt und dass die Länder ihre Beiträge nach ihren jeweiligen Möglichkeiten leisten. Das Kyoto-Protokoll, das wir ablösen, war ja ausschließlich an die Industrieländer adressiert und nicht so erfolgreich wie eigentlich nötig, weil einige ausgestiegen sind und andere Länder gar nicht erst mitgemacht haben. Jetzt heißt es: Weltweit jeder nach seinen Möglichkeiten. Es ist sehr schön, dass China jetzt seinen Beitrag öffentlich gemacht hat. Dass China und die Vereinigten Staaten dabei sind, ist die erste Voraussetzung für das Gelingen.
Paris ist nicht der erste Versuch, ein neues, verbindliches Regelwerk auf die Beine zu stellen. Im Gedächtnis ist noch der Klimagipfel in Kopenhagen, der gemeinhin als gescheitert betrachtet wurde. Was wird dieses Mal anders - und warum?
China und die Vereinigten Staaten, die beiden größten Emittenten, sind nun dabei. Und ich glaube, dass wir, anders als in Kopenhagen, den Ländern des Südens glaubhaft versichern können, dass ihre Entwicklungschancen durch Klimaschutz nicht beschnitten werden. Vielmehr könnten sie erneuerbare Energien zu marktfähigen Preisen erhalten, die ihnen eine dezentrale Energieversorgung ermöglichen und damit alle Entwicklungschancen geben.
Yvo de Boer, der frühere Generalsekretär der Klimarahmenkonvention der UN, gab 2013 ein provokantes Statement: "Der einzige Weg, wie ein Abkommen im Jahr 2015 zum Zwei-Grad-Ziel führen könnte, wäre, die gesamte Weltwirtschaft stillzulegen."…
Nein, das stimmt natürlich nicht. Das Zwei-Grad-Ziel wollen wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts nicht überschreiten. Wir haben bis jetzt eine Klimaerwärmung von 0,85 Grad. Deswegen ist es besonders wichtig, dass China gesagt hat, man werde den Höhepunkt des CO2-Ausstoßes spätestens bis 2030 erreichen. Das heißt, sie haben den Ehrgeiz, das Ziel früher zu erreichen.
Und wenn das China gelingt - was die Industriestaaten schon jetzt schaffen und was auch in den Vereinigten Staaten möglich ist - dann ist das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten.
Entscheidend ist die Energieeffizienz. Wir haben in Deutschland schon längst das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch abgekoppelt. Wir haben ein durchschnittlich gutes Wirtschaftswachstum - natürlich nicht so hoch wie in Schwellenländern - aber einen sinkenden Energieeinsatz. Wir müssen das Wirtschaften nicht einstellen.
Bis jetzt galt Deutschland als Klima-Vorreiter: Inzwischen sind aber auch andere Staaten weit vorne, zum Beispiel die skandinavischen Länder, etwa, wenn es um den Einsatz von erneuerbaren Energie oder Elektroautos geht. Kann Deutschland in Paris die Rolle des Klimavorreiters beibehalten?
Ich denke, dass wir in der Welt weiterhin so gesehen werden. Auch wegen der vielfältigen technologischen Möglichkeiten, die wir haben, insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien. Das ist ja der entscheidende Punkt. Natürlich haben wir hier auch die Elektromobilität, allerdings fahren bei uns in Deutschland noch weniger Elektroautos als zum Beispiel in Norwegen oder in den Niederlanden. Das hat mit der Förderpolitik zu tun. Technologisch sind wir aber weiterhin sicherlich führend.
Gerade der Transport ist für uns spannend, denn wir DW-Reporter versuchen, für ein Reportage-Projekt mit klimafreundlichen Mitteln nach Paris zu fahren. Dabei haben wir einige logistische Herausforderungen, was den Transport mit Elektroautos angeht. In Deutschland waren im ersten Quartal 2015 nur 0,6 Prozent der verkauften Autos Elektroautos. Was kann denn noch getan werden, um den Verkehr klimafreundlicher zu machen?
Zum einen brauchen wir natürlich weiterhin mehr Investitionen in den Schienenverkehr. Manche Städte Frankreichs liefern gute Beispiele mit der Wiedereinführung von Straßenbahnen. Hier könnten deutsche Städte noch mehr tun - zumal wir auch merken, dass vor allem jüngere Menschen, die in Städten leben, häufig auf einen PKW verzichten. Dafür benötigt man aber einen guten öffentlichen Nahverkehr.
Schwieriger ist es in den ländlichen Regionen, weil dort der Öffentliche Personen-Nahverkehr nicht im selben Umfang zur Verfügung stehen kann. Trotzdem muss er auch besser werden, gerade vor dem Hintergrund einer älter werdenden Bevölkerung. Zumal in den ländlichen Regionen überproportional viele ältere Menschen leben werden. Da gibt es noch viel anzupacken.
Was planen Sie im Bereich der Elektroautos?
Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns in der Bundesregierung noch darauf verständigen, weitere Anreize in diesem Bereich zu setzten. Diskutiert wird gerade, die steuerlichen Abschreibe-Bedingungen für Dienstkraftfahrzeuge zu verbessern, wenn sie zumindest einen Plug-In-Hybridantrieb haben. Das würde natürlich einen Marktanreiz setzen, ist aber noch nicht entschieden.
Wie kommen Sie selbst nach Paris?
Ich fahre mit dem Deutsche-Bahn-Sonderzug "Train to Paris". Die Bahn will einen eigenen Zug von Berlin nach Paris einsetzen. Und ich habe mir vorgenommen, diesen zu nutzen.
Barbara Hendricks (SPD) ist seit 2013 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Das Interview fand statt im Vorfeld des DW-Reportageprojekts "Roadtrip nach Paris".
Die Fragen stellte Ruth Krause.