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Herausgabeverbot aufgehoben

Marcel Fürstenau17. September 2003

Im Streit um die Stasi-Akten von Ex-Kanzler Helmut Kohl hat das Berliner Verwaltungsgericht gegen Kohl entschieden. Die Daten dürfen jetzt grundsätzlich herausgegeben werden. Marcel Fürstenau kommentiert.

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Jetzt dürfen die Stasi-Akten Helmut Kohls also doch an die Öffentlichkeit. Das Berliner Gericht gab damit einer Klage der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, statt. Theoretisch jedenfalls.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Doch Frau Birthler ist gut beraten, so zu verfahren, wie sie es unmittelbar nach dem Richter-Spruch ankündigte: So lange das Urteil nicht rechtskräftig ist, werden die Akten unter Verschluss bleiben. Des Ex-Kanzlers Anwalt hat bereits angekündigt, Rechtsmittel gegen das jüngste Urteil einzulegen.

Und sollte die Entscheidung bestätigt werden, bliebe immer noch der Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Diese höchste richterliche Instanz hätte dann die knifflige Frage zu entscheiden, ob das vor gut einem Jahr novellierte Stasi-Unterlagen-Gesetz verfassungswidrig wäre. Wie es Kohl und seine Anwälte sehen. Wie es die Richter am Berliner Verwaltungsgericht aber gerade nicht gesehen haben.

Novelle des Gesetzes

Einmal angenommen, es käme so weit und die obersten deutschen Richter kassierten eines fernen Tages das neue Stasi-Unterlagen-Gesetz, wäre das auch eine Schlappe für das deutsche Parlament. Denn das hat sich im vergangenen Jahr mit großem Aufwand der kniffligen Frage gewidmet, wie weit die Aufklärung der Stasi-Machenschaften gehen sollen. Experten-Anhörungen, Gutachten - alles wurde unternommen, das Gesetz diesmal wasserdicht zu gestalten. Frei von parteipolitischen Erwägungen war die Entscheidung des Hohen Hauses am Ende dennoch nicht. Denn es kam lediglich mit der rot-grünen Parlaments-Mehrheit und gegen die Stimmen der Union zustande.

Befürchtungen unbegründet

Welcher Eindruck aber bleibt nun von dem, was jetzt auf dem Tisch liegt? Ein Urteil, bei dem die Richter das berechtigte Interesse an Diktatur-Aufarbeitung, denn darum geht es im Kern bei den Stasi-Akten, in bestimmten Grenzen höher bewerten als die persönlichen Interessen von Personen der Zeitgeschichte. Und zu denen zählt Helmut Kohl zweifelsohne. Die wie auch immer motivierte Befürchtung des Ex-Kanzlers, ihn betreffende Stasi-Informationen könnten zu seinem Nachteil sein, sind bei Lichte betrachtet unbegründet. Denn wenn irgendwann einmal tatsächlich auf Antrag Akten an Wissenschaftler oder Journalisten weitergegeben werden, dann nur solche, die Kohl in seiner Funktion als Politiker und Amtsträger betreffen.

Hat Kohl Geheimnisse ...?

Stasi-Material, das die Privatsphäre des CDU-Politikers betrifft, wird so oder so unter Verschluss bleiben. Auch Akten, die durch Abhörmaßnahmen und ähnlich schwerwiegenden Menschenrechts-Verletzungen entstanden sind, bleiben tabu. Alles andere aber kommt vielleicht wirklich einmal ans Licht. Dann spätestens wird Helmut Kohl akzeptieren müssen, was er eigentlich heute schon mit gutem und ruhigen Gewissen einsehen sollte: dass ihm die Akten nichts anhaben können. So aber fragt sich auch mancher Kohl-Freund: Hat er vielleicht doch was zu verbergen?