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"Herr Blair kann sich auf Dauer nicht verweigern"

Das Gespräch führte Michael Knigge15. Juni 2005

Nach dem Aus der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden, steht auch die geplante Finanzierung der EU auf der Kippe. Wie kann ein Kompromiss aussehen, fragte DW-WORLD den Finanz-Experten Rolf Caesar?

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Unter Druck: Tony Blair und der RabattBild: AP

DW-WORLD: Seit Wochen wird heftig um die künftige EU-Finanzierung gestritten. Auch auf dem EU-Gipfel am 16. und 17. Juni wird das ein Thema sein. Zahlreiche Länder wollen eine Senkung oder Abschaffung des mehr als 20 Jahre alten so genannten Briten-Rabatts. Tony Blair ist dagegen nur zu einer Debatte über den Rabatt bereit, wenn auch die Agrar-Subventionen der EU überdacht werden. Wie kann der Streit um den Briten-Rabatt, die Agrar-Subventionen und die EU-Finanzierung gelöst werden?

Rolf Caesar: Der Briten-Rabatt und die Agrar-Subventionen sind zwei Dinge, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Der Briten-Rabatt wurde 1984 von Premierministerin Thatcher durchgesetzt und von den anderen EU-Ländern einstimmig verabschiedet. Die Agrar-Subventionen wurden vor zwei Jahren ebenfalls einstimmig verabschiedet und sind bis 2013 festgeschrieben. Tony Blair hat diesen Ball aus taktischen Gründen ins Spiel gebracht, um ein Gegenargument zu der Forderung nach Abschaffung des Briten-Rabatts zu haben. Bei den Agrar-Subventionen sehe ich keinen Lösungsspielraum, da die Nutznießer der Agrarpolitik - insbesondere die Franzosen - ihn derzeit nicht antasten wollen. Aber auch der Briten-Rabatt kann nur verändert oder abgeschafft werden, wenn alle Länder zustimmen.

Es war schon damals ein Fehler ihn unbefristet abzuschließen. Herr Blair wird einer Abschaffung des Rabatts aus innenpolitischen Gründen sicher nicht zustimmen. Aber auf Dauer kann er wohl dem Druck der anderen Staaten den Rabatt anzugehen nicht widerstehen. Deshalb wird es wohl eine Kompromisslösung geben.

Wie könnte eine solche Kompromiss-Lösung konkret aussehen?

Eine Lösung könnte so aussehen, dass der Briten-Rabatt langfristig abgeschmolzen wird und Großbritannien dafür Zahlungen aus anderen EU-Töpfen bekommt. Als Ausgleich für eine sukzessive Reduzierung des Rabatts würden die Briten etwa Transfers aus anderen Bereichen erhalten. Sie könnten zum Beispiel Gelder aus den Strukturfonds und den Bereichen Forschung und Entwicklung erhalten. Aber kurzfristig ist dies gar nicht so einfach zu bewerkstelligen, weil dafür langfristige Programme geändert werden müssten.

Wie groß ist die Chance, dass es zu einer Lösung kommt?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tony Blair auf Dauer eine Änderung des Rabatts verweigern wird, denn der Rabatt ist heute ein Anachronismus und nicht mehr gerechtfertigt. Aber er kann natürlich erst einmal aus innenpolitischen Gründen auf Zeit spielen und die britische Ratspräsidentschaft abwarten, die im zweiten Halbjahr beginnt. Dann hat Großbritannien noch mehr Gewicht in der EU und kann die Verhandlungen noch besser steuern. Aber auf lange Sicht ist der Rabatt nicht zu halten.

Was passiert, wenn es jetzt zu keiner Einigung über die Finanzplanung kommt?

Das würde für die EU – ähnlich wie bei der Verfassung – erhebliche Probleme aufwerfen. Für 2005 und 2006 gibt es eine geltende Finanzplanung geklärt, aber was ab 2007 wird, ist völlig offen. Ohne Lösung beim Finanzstreit gibt es aber keine Rechtsgrundlage für eine längerfristige Finanzplanung und neue Ausgaben können nicht beschlossen werden.

Rolf Caesar ist Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Hohenheim mit Schwerpunkt EU-Integration.