Hertha BSC bleibt erstklassig
23. Mai 2022Alles war angerichtet für den großen Tag, die HSV-Fans siegessicher nach dem 1:0 im Hinspiel gegen Bundesligist Hertha BSC, dazu ein Heimspiel und der Gedanke im Kopf: "Jetzt muss es doch mal endlich klappen". Etliche ehemalige HSV-Spieler wie Rafael van der Vaart oder René Adler drückten die Daumen und schickten Videobotschaften. Doch es wurde auch 2022 nichts mit der Rückkehr des einstigen "Bundesliga-Dinos" in das Oberhaus des deutschen Fußballs.
Denn Hertha BSC bereitete den großen Aufstiegs-Träumen mit dem 2:0 (1:0)-Auswärtssieg im Rückspiel der Relegation ein bitteres Ende und sicherte sich damit den Klassenerhalt. Hamburg bleibt dagegen seit dem Abstieg 2018 weiter in der 2. Liga.
"Das tut weh. Wir haben uns das anders vorgestellt", sagte HSV-Kapitän Sebastian Schonlau beim Fernsehsender Sky. "Die Jungs haben das nicht verdient, der Verein hat das nicht verdient und die Stadt hat das nicht verdient. Ich bin stolz auf meine Truppe. Aber ich bin genauso wie alle furchtbar enttäuscht", sagte HSV-Trainer Tim Walter bei Sky.
Schnelle Führung schockiert den HSV
"Das ist wie ein Meistertitel", erklärte dagegen Herthas Führungsspieler Kevin-Prince Boateng bei Sky. "Totgesagte leben länger, ist ja bei mir auch so." Im Hinspiel hatte der Routinier nach einem Disput mit Trainer Felix Magath nicht gespielt.
Magath nahm im Rückspiel einige Änderungen in der Aufstellung vor. Schon nach vier Minuten wurde er dafür belohnt, denn da hatten die Berliner das 0:1 aus dem Hinspiel egalisiert: Durch aggressives Gegenpressing erkämpften sie sich einen Eckball, den Dedryck Boyata per Kopf zum 1:0 ins Tor bugsierte. Es war sein erster Saisontreffer.
Die Hamburger reagierten sichtlich geschockt, überließen den Gästen die meisten Torchancen, spielten verhalten. Erst nach und nach kamen sie besser ins Spiel. Doch die Tore machte die Hertha: Marvin Plattenhardt erhöhte in der 63. Minute auf 2:0. Berlins Lucas Tousart sah dazu noch in der Nachspielzeit Gelb-Rot (90.+6).
Magath schockt seinen Herzensverein
Für Berlin war es bereits der vierte Matchball: Schon in der Endphase der Saison hatte es der Hauptstadt-Klub in der eigenen Hand gehabt, hätte sich in den letzten drei Spielen selbst retten können, verpasste das aber jeweils dramatisch spät. Nun wehrte der "Big City Club" den siebten Abstieg und den ersten nach zehn Jahren gerade noch ab und schaffte den ersten Sieg nach vier Spielen.
Großen Anteil daran hatte ausgerechnet Felix Magath, der mit dem HSV unter anderem 1983 den Europapokal der Landesmeister holte und über zehn Jahre lang als Spieler und Trainer in Hamburg angestellt war. "Er war unser Retter in unserer Situation", sagte Herthas Geschäftsführer Sport, Freddi Bobic, bei Sky. "Er hat was Außergewöhnliches geleistet. Er hat die Mannschaft zusammenbekommen. Wir sind ihm dankbar."Seine glücklosen Vorgänger in dieser Saison, Pal Dardai und Tayfun Korkut, hatten es nicht geschafft, Ruhe in den Verein um Investor Lars Windhorst zu bringen. Mit großen Ambitionen war die Hertha in der Liga gestartet, verlor aber gleich die ersten drei Partien und verschliss die Trainer. Nun hat Magath den "Worst Case" abgewendet - er selbst ist ohnehin noch nie abgestiegen. "Mein Job ist jetzt beendet", erklärte er nach dem Abpfiff. "Ich bin froh und glücklich, dass wir in der Liga geblieben sind." In sieben Bundesligaspielen gelangen den Berlinern unter Magaths Regie zwei Siege und ein Unentschieden bei vier Niederlagen.
Hamburg scheitert auch im vierten Versuch
Unruhe, Machtkämpfe - das kennt man in Hamburg auch. Doch in den letzten Monaten ist es mit Trainer Tim Walter ruhiger geworden in der Hansestadt und seit Ostern ging es stetig bergauf. Zuletzt feierte der HSV fünf Siege in Folge, die ihn schließlich in die Relegation brachten - und damit einen Schritt weiter als in den vergangenen drei Jahren, als es jeweils nur für den bitteren vierten Platz reichte.
Und so bleibt es bei dem Trend in der Relegation: Bei den bisherigen 23 Duellen zwischen dem Dritten der 2. Liga und dem Drittletztem der Bundesliga, die von 1982 bis 1991 und dann wieder ab 2009 stattgefunden haben, hatte meist der Erstligist das bessere Ende für sich. Insgesamt blieb mit der diesjährigen Relegation 18 Mal der Bundesligist im Oberhaus, nur sechsmal setzte sich der Außenseiter durch und stieg auf. Und obwohl es auch dieses Jahr für den Zweitligisten nicht geklappt hat, feierten die Fans ihren HSV auch nach dem Abpfiff - mit Tränen in den Augen.