Hertha und Weiser fordern die Bayern
21. September 2016Freche Frisur, schelmisches Grinsen. Mitchell Weiser versteckt sich nicht, weder auf dem Rasen noch in seiner Freizeit. Der 22-Jährige in Diensten von Hertha BSC pflegt einen selbst in den Straßen der Hauptstadt extravaganten Kleidungsstil. Alles dokumentiert auf seinem Instagram-Profil, eine Foto-Plattform im Internet zur Selbstdarstellung. Weiser passt gut zum modernen Startup-Image, das Manager Michael Preetz versucht, der "Alten Dame" Hertha neuerdings überzustülpen.
"We try, we fail, we win", so lautet das Motto der Werbekampagne des Klubs. Oder wie Herthas Trainer Pal Dardai es formulieren würde: Unbekümmerter Fußball mit Leidenschaft und Laufbereitschaft. Klar, es kann auch mal etwas schiefgehen. Aber Mut zum Risiko wird letztlich immer belohnt. Sein Schützling Mitchell Weiser verkörpert all das wie kein zweiter Berliner. Er selbst ist gescheitert, konnte sich nicht durchsetzen bei den großen Bayern, hat wieder neu angefangen und sein Glück in Berlin gefunden. Handlungsschnelligkeit und Spielwitz zeichnen ihn aus, Weiser ist ein wichtiger Baustein in Dardais Plan. Und der sieht vor, auch die Bayern zu ärgern.
"Hat uns kaum einer zugetraut"
"Wir wollen aus München ungeschlagen zurückkehren", kündigte Dardai selbstbewusst an. "Du brauchst auch Glück. Aber wir haben eine fleißige Mannschaft." Die hat zum Saisonstart tatsächlich alle überrascht. Hertha hat nach drei Spieltagen drei Siege auf dem Konto, das gab es zuvor noch nie. Weiser war mit einem Tor und einer Vorlage der Matchwinner am vergangenen Sonntag beim 2:0-Sieg gegen Schalke. Es war der erste Prüfstein für die Berliner, nach einem vermeintlich leichten Auftaktprogramm mit Siegen gegen Freiburg und Ingolstadt.
"Es ist super so zu starten, gerade nach den Unruhen in der Vorbereitung. Das hat uns kaum einer zugetraut", sagt Weiser. Denn in Berlin begann die Saison vor den drei Bundesliga-Erfolgen mit einer großen Enttäuschung, das Aus in der Europa-League-Qualifikation gegen Bröndby Kopenhagen. Gleich danach hat Trainer Dardai durchgegriffen, Kapitän Fabian Lustenberger abgesetzt und Vedad Ibisevic die Binde gegeben. Eine Maßnahme, über die sich die Berliner Boulevard-Medien herrlich freuten, doch für die Mannschaft kam der Weckruf genau zur rechten Zeit. Seit dem Aus in Europa präsentiert sich Hertha gefestigter, verliert nicht den Kopf und entscheidet auch enge Spiele für sich.
Weiser mausert sich zum Spitzenspieler
In diesem Team hat sich Weiser zum Spitzenspieler gemausert. Er ist jetzt kein Talent mehr, sondern prominente Figur in einer sonst eher unscheinbaren Berliner Mannschaft. Fast schon so etwas wie ein kleiner Star. Bei den Bayern war er, wenn überhaupt, nur der allerkleinste unter vielen. 2012 wechselte er nach gerade einmal einem Bundesliga-Spiel für den 1. FC Köln zum Rekordmeister. "Ich wollte es unbedingt machen", sagt er heute im Rückblick.
Doch zu Beginn kam er unter Jupp Heynckes nicht zum Zug, ließ sich verleihen und sammelte Spielpraxis in Kaiserslautern in der Zweiten Liga. Pep Guardiola schenkte dem talentierten Außenbahn-Spieler einige Einsätze und Weiser zeigte, dass er mithalten kann. Doch am Ende war er wie so viele in München keiner für das Star-Ensemble und musste es woanders versuchen. Hertha griff zu und überzeugte ihn vom Projekt in der Hauptstadt. Nun kehrt Weiser als Tabellenzweiter und direkter Verfolger zu seinem Ex-Klub zurück.
Hat Löw ihn schon auf dem Zettel?
"Das ist natürlich eine tolle Geschichte für unsere Fans. Auch in München wollen wir etwas mitnehmen", sagt Weiser. "Wir haben noch viel vor in dieser Saison." Nicht wenige Experten sehen auch noch viel Potenzial, das in Weiser schlummert. Eigentlich sollte er mit der deutschen Auswahl zu den Olympischen Spielen nach Rio reisen, doch Hertha verweigerte ihm die Freigabe. Ein Zeichen, welchen Wert er mittlerweile bei Hertha im Team von Dardai besitzt. Wer weiß, ob nicht auch Joachim Löw ihn längst auf dem Zettel hat. Weiser kann weiter vorne, aber auch auf der rechten Außenverteidiger-Position spielen, seit Jahren die Baustelle in der Nationalmannschaft. Mit einer starken Leistung am Mittwoch gegen Bayern könnte er nochmal eine eindringliche Bewerbung für eine Nominierung abgeben.