Hessens Polizeipräsident Münch tritt zurück
14. Juli 2020Der hessische Innenminister Peter Beuth sagte in Wiesbaden, er habe Münchs Bitte um Versetzung in den einstweiligen Ruhestand angenommen. Münch (Artikelbild) übernehme damit als oberster Polizist des Bundeslandes Verantwortung für Versäumnisse, "die er nicht allein zu vertreten hat". Der Polizeipräsident habe Informationen zur unerlaubten Abfrage von Daten von Polizeicomputern nicht an sein Ministerium weitergegeben. Münch stand seit fast zehn Jahren an der Spitze der hessischen Polizei.
Münch hatte Beuth demnach am Montag erklärt, dass ihm schon im März in einer Videokonferenz von einer unerlaubten Polizeicomputer-Abfrage berichtet worden sei. Dazu sei auch ein Gesprächsprotokoll angefertigt worden. Münch habe aber weder das Protokoll noch den Sachverhalt bewusst wahrgenommen. Darum sei die nötige weitere Information des Innenministers unterblieben.
Drohmails an Linken-Politikerin
Der Rücktritt steht im Zusammenhang mit rechtsextremistischen E-Mails an die Linken-Politikerin Janine Wissler. Die hessische Linken-Fraktionschefin und stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei hatte Schreiben mit Morddrohungen erhalten. Dabei waren zuvor persönliche Daten über einen hessischen Polizeicomputer abgefragt worden.
Die hessische Polizei geht weiteren Fällen ähnlicher Bedrohungen nach, die aus den eigenen Reihen stammen könnten. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main bestätigte, dass es "weitere Fälle" gebe. "Wir haben mehrere Drohschreiben gegen mehrere Geschädigte." Namen wollte sie nicht nennen.
Es gibt schon länger den Verdacht, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte. So hatte die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die im NSU-Prozess Nebenkläger aus den Familien der Opfer der rechtsextremen Mordserie vertrat, bereits 2018 Drohschreiben erhalten, die mit "NSU 2.0" unterzeichnet waren.
Auch Berliner Kabarettistin betroffen
Unterdessen wurde bekannt, dass auch sensible Daten der Berliner Kabarettistin Idil Baydar von einem Rechner eines Polizeireviers in Wiesbaden abgefragt wurden. Baydar wird seit Monaten mit dem Tod bedroht, sie erhielt ebenso wie Wissler und Basay-Yildiz Droh-Mails mit dem Absender "NSU 2.0".
Im ARD-Fernsehen kritisierte Baydar am Dienstag scharf, dass sie von der Abfrage erst am Montag durch einen Journalisten erfuhr und die Polizei sie bis heute nicht informiert habe. "Das trägt auch nicht gerade zur Vertrauensbildung bei", sagte sie. In dieser "obskuren Situation" wisse sie nicht einmal, "ob die Polizei das aufklärt, wenn mir etwas passiert".
kle/ml (afp, dpa)